Hungertöter für Hungerleider: Maccarón de la paletta

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Vor einiger Zeit in St. Moritz in der Buchhandlung gesehen und begeistert gekauft: I mazzafam, Originalrezepte aus den Südtälern Graubündens. Geschrieben von Gianni Bertossa und Mitautoren. Erschienen unter dem Patronat der Slow Food. Mazzafam ruft in Erinnerung, was am Anfang des Essens steht: den Hunger stillen. Mazzafam heisst auf Deutsch so viel wie Hungertöter. Die Autoren haben in diesem Büchlein eine Reihe authentischer Rezepte aus den ärmlichen, selbst in der Deutschschweiz wenig bekannten Bündner Südtälern: dem Bergell, dem Calancatal, dem Misox und Puschlav gesammelt. Manche Rezepte sind halb vergessen, Zeugen einer vergangenen Zeit, andere sind noch heute lebendig.

Wie Ursula Hasler in der Einleitung schreibt: Es geht in diesem Buch nicht einfach um schöne Rezepte, sondern darum zu verstehen, dass die lokale Küche ein Ausdruck dafür ist, wie sich die Menschen seit Jahrhunderten mit den vielfältigsten Einflüssen in ihrem Lebensraum auseinander setzten: Essen vor dem Hintergrund der klimatischen und topografischen Lage, der geschichtlichen Ereignisse in der Region, des Handels und der Begegnungen mit Fremden, der Sprache und den Kommunikationsmöglichkeiten und der alpinen Arbeits- und Ernährungsformen.. Erst dieser umfassende Blick zeigt uns, dass unsere kulinarischen Bräuche weit mehr sind als nur originelle Rezepte, nämlich unser Kulturerbe und damit unser seelischer Boden….Wir haben einen seelischen Hunger nach Essen, das unsere Körper nicht täuscht, nach Geschmack, der uns nicht etwas vorgaukelt, was nicht ist, nach Genuss, der nicht gewinnoptimierend Natur und Tier ausbeutet.

DKduW

Ich habe mich nicht genau an das Rezept gehalten, sondern das Gericht aus restlichen Pellkartoffeln und separat zubereiteten Spätzle (meinen Wasserstriwala) in der Pfanne gebraten, das schmeckt bestimmt besser, als wenn man  Kartoffeln und Spätzle nur aus dem Wasser zöge, zudem habe ich alles mit Salbeibutter überschmelzt. Ein wunderbar einfaches, aber herrliches Armeleutegericht. Der Genuss einfachster Produkte, die in der Küche mit heiliger Sorgfalt zubereitet werden, lässt uns, die Essen und Kochen ernst nehmen, halt nicht unbewegt. Und deshalb ist das mein Beitrag für den DkdUW. Ein Rezept bräuchte es dazu kaum, wer alles genau schwarz auf weiss wissen muss, mag weiterlesen:

Zutaten
Original gemäss Buch:
3-4 grosse Kartoffeln
500 g Weissmehl
2 Eier
1 Glas Milch
2 Glas Wasser
2 Prisen Salz
4 Knoblauchzehen
Butter, geriebener Käse

Ausführung L.:
für die Spätzle:
200 Gramm Mehl, ich nehme Emmentaler Knöpflimehl: Weichweizendunst mit etwas Dinkel drin
3 Eier
1 Eigelb
1-2 Elf. Wasser nach Bedarf
1 Prise Salz, Muskatnuss

für das Gericht:
300 g Kartoffeln, festkochend
400 g Spätzle
2 grosse Knoblauchzehen
Butter, geriebener Käse
ein paar Salbeiblätter

Wasserstriwla 1_2010 10 01_0066
Spätzle schaben
Wasserstriwla 0_2010 10 01_0070
Die Schüssel im Nu voll

Zubereitung
Original gemäss Buch:
Mehl, Eier und Salz in eine Schüssel geben, mit Milch und Wasser verrühren -die Masse soll weder zu dickflüssig noch zu dünnflüssig sein. Je nach Konsistenz noch mehr Milch oder Mehl beigeben, bis sich die Masse leicht von der Kelle löst. In einer grossen Pfanne Wasser aufkochen, Salz und die in Stücke geschnittenen Kartoffeln hineingeben. Nun die Masse auf ein Holzbrett geben und kleine Stücke ins kochende Wasser schaben. Wie Spätzle. Wenn die Masse aufgebraucht ist, sind auch die Kartoffeln gar. Mit dem Schaumlöffel herausnehmen und schichtweise zusammen mit dem Käse in eine vorgewärmte Schüssel geben. Zum Schluss die zerlassene Butter und den in feine Scheiben geschnittenen Knoblauch [L.: gemäss Bild im Buch vorher angebraten] darübergeben.

Ausführung L.:
für die Spätzle:
(1) Mehl in eine Schüssel vorlegen, Eier und Salz zugeben. Mit einem großen Kochlöffel oder in der Küchenmaschine 10 Minuten rühren bis er Blasen wirft. Mit Klarsichtfolie bedecken und noch wenigstens eine halbe Stunde ruhen lassen.
(2) Topf mit Salzwasser zum Kochen bringen.
(3) Etwa 2 Esslöffel Teig auf das Spätzlebrett geben, das man vorher kurz ins kochende Wasser getaucht hat, und mit dem ebenso nassen Teigschaber flach streichen.
(4) Nun dünne Streifen ins kochende Salzwasser schaben. Nach jeder Partie kurz aufkochen, mit einem Sieblöffel herausnehmen mit kaltem Wasser abschrecken, auf einem Tuch ausbreiten.

für das Gericht:
(5) Die Kartoffeln auf dem Dämpfsieb zu Gschwellti (Pellkartoffeln) kochen. Hier am Vortag. Schälen, in Würfel schneiden, in Butter anbraten.
(6) Sobald sie erste Anzeichen von Farbe zeigen, die Spätzle zugeben und mitbraten.
(7) In einem separaten Pfännchen die in Scheiben geschnittenen Knoblauchzehen sowie die Salbeiblätter in Butter hellgelb anbraten.
(8) Knoblauch/Salbei über die Kartoffel-Spätzle giessen. Mit Reibkäse bestreuen. Der kam wieder einmal erst nach dem Foto drauf.

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34 Kommentare zu „Hungertöter für Hungerleider: Maccarón de la paletta“

  1. Ein wunderbares Schlechtwetteressen.
    Nur Spätzle schaben, das werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr lernen. Ich bleibe bei der Spätzlepresse (oder Reibe).

  2. Ich finde das Rezept für den Nudelteig auch befremdlich genug, um mich auf ein eigenes erprobtes verlassen zu mögen.
    Bin für weitere Gerichte aus dem Buch sehr offen.

  3. Und wieder ein Beweis, dass Kartoffel und Spätzle durchaus zusammen gegessen werden können. Bei uns im schwäbischen bleibt das Ganze in der Brühe und heißt dann „Kartoffelschnitz und Spatzen“. Die Version mit dem Käse gefällt mir ausgesprochen gut.

  4. Bei solchen Rezepten freut man sich schon auf den nächsten Schneespaziergang. Spatzn und Käse retten den Tag ja eigentlich auch sonst immer.

  5. Dieses Rezept weckt Erinnerungen in mir: Ich glaube, das erste, was mir meine Mutter in der Küche beigebracht hat, was Spätzle zubereiten. Und das erste Gerät, das ich nach meinem Auszug von zuhause geschenkt bekam, war der Spätzlehobel. Als ich dann in Spanien war und Spätzle machen sollte, habe ich sie auch geschabt. Ist zwar wesentlich mühseliger, aber das Ergebnis war ganz gut. Aber ich bleibe meinem Hobel treu 🙂 .

  6. Als ich das Foto mit der gefüllten Pfanne sah, dachte ich gleich, das ist ein typisches Älpleressen :o) Das schöne Buch werde ich mir vielleicht kaufen.

  7. @Mestolo: lass Dir ein Spätzlebrett schenken, dann wirst Du es lernen, wie ich auch.

    @Tina: „nur nichts verkommen lassen“ wird sie gesagt haben.

    @chriesi: mein Spätzle-Brettlein habe ich von Ulli und Ilka http://blog.rezkonv.de/2007/06/16/spaetzle/ geschenkt erhalten.

    @kochschlampe: mit Brett gibts weniger Abwasch. Sie schmecken aber kaum anders als die dicken, runden.

    @Hesting: Frau L. hat sich das Buch unter den Nagel gerissen. Abwarten….

    @Bolliskitchen: Macarons würde ich aus technischen Gründen gerne einmal machen, aber essen… nie.

    @Linda: die Parallelen in der einfachen Küche sind schon erstaunlich.

    @Evi: mal schauen, ob wir den frühen Schnee damit zu uns zwingen 😉

    @Kirsten: ein Grund, warum ich die Spätzle separat gemacht habe, war natürlich der, dass ich zu wenig rasch bin, um sie gleich zu den Kartoffeln im Wasser zu schaben 🙂

    @nata: das Rezept kommt aus dem Calancatal. Ein armes, abgeschiedenes Tal. Die Dörfer vom Aussterben bedroht.

  8. Das ist ein schönes Buch und Gericht. Teigwaren + Kartoffeln + Käse – das sind bewährte Hungertöter in vielen Regionen Europas. Manchmal noch mit Speck, Schmalz und diversen Kohlarten, frisch oder milchsäurevergoren. Solche Gerichte liebe ich im Herbst und Winter. Irgendwie hat man das Gefühl, geschützt und geborgen zu sein, wenn man so ein gehaltvolles Gericht isst. Mich begeistert immer wieder, welcher Erfindungsreichtum von Generationen hinter diesen unterschiedlichen Kombinationen und Zubereitungsarten von wenigen, einfachen Zutaten steckt.

  9. That is a great recipe! I have never eaten that speciality. This dish looks good and comforting.

    Grüsse,

    Rosa

  10. Sehr schöner Beitrag, Robert! Wie ich gestern schon erwähnte: Arme-Leute-Zutaten, deren Zubereitung regional differiert. Ergänzend zu Linda: in die Brühe kommt noch ein Schuss Essig und angebräunte Zwiebeln. Interessant wäre: von „einem“ Gericht (europaweit) alle regionalen Zubereitungsarten darzustellen.

  11. Früher ging es wirklich darum um einer meist großen Familie den Hunger zu stillen. Ich bin in diesem Sinne aufgewachsen und erzogen worden. Deshalb bin ich bei solchen Gerichten zu Hause.

  12. Da habe auch ich meine besondere Freude, weil man die einfachen, grundlegenden Gerichte durch eine einzige Zutat immer wieder abwandeln kann, wie hier durch den Salbei. Was man nur alles kochen könnte, wenn man nur eine begrenzte Auswahl hätte, Mehl, Eier und Milch, und jeweils Zutaten kombinieren sollte: Kartoffeln und Kohl, Käse und Speck. Das ist fast wie physikalische Grundlagenforschung auf der Suche nach der Entstehung einer Regionalküche – der Begriff Molekularküche bekommt da eine ganz neue Bedeutung 😉

  13. Bei den Macarons wäre ich dir gerne behilflich – natürlich nur, was das Essen angeht. Maccarón verschmähe ich aber auch nicht. Ich glaube, heute bezeichnet man diese Art der Zubereitung als „schnörkellos“. Wobei mir gerade auffällt, was das für ein lustiges Wort ist.

  14. Ich bin begeistert, Robert kann auch Spätzle schaben ! Für mich als geborene Schwäbin ist das sowieso normal, das habe ich von der Oma gelernt. Ich finde, es ist nach wie vor immer noch die einfachste Art, Spätzle zu kochen. Und wie ekelhaft zu reinigen sind Spätzlepressen etc.

  15. Toll, was fuer ein einfaches, jedoch heimisches Gericht. Ich mag regionale Kueche am Liebsten. Essen bringt Erinnerungen, die man auch nur in bestimmten Regionen genau so zubereitet bekommt. Das wurde mir erst nach Jahren in der Ferne sehr bewusst.

  16. @Eline: Ich finde das Buch insbesondere deswegen interessant, weil in diesen Südtälern (wo vorwiegend italienisch gesprochen wird), die Küche gleichzeitig alpine wie lombardische Einflüsse aufweist.

    @Rosa: the cook of Hotel Walther in Pontresina offered for a few weeks dishes, cooked according to this book.

    @sammelhamster: die dicken Knoblauchscheiben könnten auch Kartoffeln sein 🙂

    @Christine: ein schwieriges Unterfangen, was Du vorschlägst. Ich habe einmal in einem Uni-projekt über Verschiebungen in Dialektworten Internet-Landkarten gesehen, in denen man seine Region anklicken und eintragen konnte, wie man dort ein vorgegebenes Wort ausspricht. Wenn nun ganze Rezepte mit familiären Abweichungen hinzukommen, wird das auch für einen Computer kaum mehr überschaubar.

    @Magdi: ich ja auch, schon deswegen, weil uns das Geld an allen Ecken und Enden gefehlt hat. Was mich aber nicht hindert, mich heute ab und zu an Trüffeln zu erfreuen 🙂

    @bee: schon aus nur wenigen Zutaten kann man eine beinahe unbegrenzte Zahl von Kombinationen herausholen. Hinzu kommen noch unterschiedlichste Zubereitungstechniken ! Nicht alles wird schmecken, aber was schmeckt, ist bereits gefunden und in die Regionalküchen integriert.

    @Jutta: hab mich eben bei wiki über die Schnörkel informiert 🙂

    @Buchfink: warum sollte ich das nicht können, etwas langsam halt, langsamer als eine Pfarrköchin, aber dennoch war ich erstaunt, wie rasch 4 Portionen beisammen waren.

    @My Kitchen: erstaunlich ist auch, wie die regionale Küche ihre Entsprechung in der lokalen Sprache findet.

  17. Spätzle schaben ist etwas, was ich sicher irgendwann ausprobieren werde und das Gericht wäre ja eine gute Gelegenheit dafür. Diese regionalen Hungertöter finde ich eh interessant. Es müsste noch mehr solcher Bücher für die unterschiedlichsten Regionen geben, damit solche Gerichte nicht in Vergessenheit geraten.

  18. Das erinnert mich an unseren „Grenadiermarsch“, ein (altösterr.) Restlessen aus Teigwaren, Kartoffeln und Zwiebeln, alles miteinander gut geröstet. Köstlich diese einfachen Gerichte!!

  19. vor laengerer zeit bin ich mal via dem deutschen slowfood magazin auf das buch „hunger ist der beste koch – karge zeiten auf der rauhen alb“ gestossen. viele interessante geschichten und rezepte von der schwaebischen alb.
    mir persoenlich ist das aber alles viel zu karg – wobei ich meine neuste entdeckung, polenta mit schlagsahne, wirklich unglaublich genial einfach finde und mich frage, warum mir vorher keiner davon erzaehlt hat…
    vermutlich, weil leute das frueher essen _mussten_, so wie meine deutsche oma auch rein garnix fuer graupen und steckrueben ueber hat. so bleibt mehr fuer mich 😉

    1. Liebe Nina, ich bin mal mit einer kleinen Eisenbahn von Ulm nach Freiburg gefahren. War der erste Teil dieser pittoresken Landschaft die Schwäbische Alb ? Ich liebe Polenta. Kannst du mir dein Rezept mit der Schlagsahne mitteilen ?
      Ich mag Polenta auch mit Käse über schmolzen. Hauchdünn gehobelter Sbrinz ist am besten. Greyerzer, höchstens 1 mm dick geht auch. Nur schmelzen lassen, nicht gratinieren.

  20. @Hilke: ich glaube, dass gibt es, abseits der Hochglanz Gourmetküche, mehr und mehr wieder, Bücher mit überlieferten Rezepten aus regionalen Küchen.

    @Friederike: im Grenadiermarsch hats aber oft noch Fleisch, wie auch im Gaisburger Marsch.

    @Frau Sonntag: auch wochentags muss man sich was Gutes tun.

    @nina:
    @Hunk:
    wenn etwas gut gemacht ist, schmecken auch karge Mahlzeiten. In diesen Ferien habe ich erstmals Taroz gegessen, Kartoffelbrei mit grünen Bohnen und brauner Butter. Köstlichst ! mit Mais sollte ich auch wieder mehr kochen. Kommt. Im Büchlein hats ein paar nette Rezepte.

  21. Lieber Robert, die Buchhandlung von St. Moritz, ein ganz besonderer Ort:-) Ich finde es schön, dass die Traditionen aufrecht und die Rezepte weitergegeben werden. Die Übersetzung des Titels klingt heftig, im Dialekt ist das Wort jedoch eher weich… Liebe Grüsse zu Dir, Andrea

    1. etwas eng alles, aber ein anderes Sortiment als in Basel. Hab auch lange am Wort mazzafam studiert, und dann doch die Übersetzung des Buches verwendet. Liebe Grüsse.

  22. „Genuss, der nicht gewinnoptimierend Natur und Tier ausbeutet“ ist natürlich eher eine Wunschvorstellung vielleicht sogar Selbsttäuschung angesichts dessen, dass Tiere und fruchtbarer Boden nicht so einfach nachwachsen.

  23. Oh, was für Köstlichkeiten habe ich hier bei dir versäumt – gut, dass alles wieder funzt 🙂
    Könnt mich eingraben und durchfuttern durch deine Leckereien… 🙂

  24. @kulinaria: auf die Region bezogen, in welcher Gemüse und Tiere gezogen oder erlegt werden, nicht.

    @Elisabeth: tagelang hat man Dich ausgeschlossen, da freust Du dich sicher, wieder an die Wärme zu dürfen 🙂

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