Flammkuchen. Pizzette tipo alsaziana

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Eine Hand voll Flammkuchen, geniales Amuse-Geule

Beim Blättern in einem alten Kochheft fiel mir ein kleiner Flammkuchen auf, der früher im 3-Sternelokal der Gebrüder Paul und Jean-Pierre Haeberlin in Illhäusern als Amuse Gueule serviert worden sein soll. Rezept war keines dabei, aber der Flammkuchen wurde als bester Flammkuchen Frankreichs apostrophiert. Dass mein Flammkuchen beinahe so gut aussieht und mindestens so gut schmeckt, wurde wieder einmal grosszügig übersehen. Ach ja, alte Kochhefte. Da gabs eben noch keine food-blogs.

Mein Rezept ergibt 12 handtellergrosse Flammküchlein, bewusst minimalistisch belegt. Amuse-Gueule für theoretisch 12 Personen. Solche amuse-gueules beeindrucken im Zeitalter des Teller-Chichis heute leider niemanden mehr, heute muss Thunfisch oder Wagyu-beef auf mindestens dreierlei Arten mit viel Firlefanz auf dem Vorspeisentellerchen zubereitet und arrangiert sein, um zu beeindrucken. Mein Gott, wirklich grosse Köche waren/sind sich nicht zu schade, einfachste Gerichte auf den Tisch zu bringen, die aber perfekt. Aus Frust darüber, dass Paul Haeberlin vor 3 Jahren gestorben ist, haben wir alle Küchlein aufs Mal gegessen.

Zutaten
für den Teig:
200 g Halbweissmehl (Typ 700)
5 g Frischhefe
1 Tlf. Meersalz
ca. 1.2 dl Milchwasser (halb/halb)
20 g flüssige Butter

für den Belag:
200 g Saurer Halbrahm (Crème fraiche)
1/2 Tropeazwiebel oder eine rote Zwiebel in feinste Streifchen geschnitten
Salz, Pfeffer
60 g schwach geräuchter, magerer Speck vom Carré, 2 mm dick geschnitten, in feine Streifen geschnitten

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Vorbereitung
(1) Mehl und Salz in eine Schüssel sieben, die Hefe im Milchwasser lösen und in einer Vertiefung dazugeben, die Butter auf dem Mehlring verteilen und (mit der Maschine) verkneten. Es muss ein weicher, geschmeidiger Teig entstehen, der aber nicht klebrig ist.
(2) Teig zugedeckt an warmem Ort auf das Doppelte aufgehen lassen, etwa 2-3 h
(3) Creme fraîche, wenig Salz, Pfeffer und Zwiebelstreifen verrühren.
(4) Specktranchen in feine Streifen schneiden.

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Belags-Extrawurst für Frau L.

Zubereitung
(5) Ofen mit Blech auf 230°C vorheizen.
(6) Teig halbieren, auf wenig Mehl so dünn wie möglich auswallen. Bei mir 1.6 mm. Den Teig zugedeckt im Kühlschrank 15 Minuten entspannen lassen. Wichtig, dann verzieht er sich nicht mehr. Dann nochmals auswallen. Mit einem Ausstecher oder einem runden Teller Kreise von ca. 11 cm ausstechen oder ausschneiden. Die Kreise bemehlen und aufeinanderstapeln, bis aller Teig verbraucht ist.
(7) Fladen auf ein Backpapier legen. Mit der Creme-masse dünn bestreichen, Speck drauflegen. Fladen in den Ofen schieben und 8-10 Minuten bei 230°C backen. (2-3 Ladungen)

Warnung
wer versuchen sollte, die Küchlein als Amuse-Gueule zum grossen Weihnachtsmenu zu reichen, wird seine Wunder erleben. Die Gäste werden sich am Amuse-Gueule satt essen und den Rehrücken bzw. die Gans oder den Schinken schnöde stehen lassen.

Weitere Flammkuchenrezepte:

26 Kommentare zu „Flammkuchen. Pizzette tipo alsaziana“

  1. Doch ! Mich beeindruckt das ! Ich bin gerade als ‚Hilfskoch‘ für die Flutopfer in Bangkok tätig und muss täglich staunen, wie man mit fast keinen (nennenswerten) Zutaten köstliches auf den Teller zaubert !
    Mach weiter so ! Ein Fan ist dir sicher 😉

  2. back to the roots kommt wieder! Nachdem wir alle erst aus Verrinen schlürfen mussten, Türmchen zerstören mit Thunfisch ( eh verbannt!) oder irgendwelche Chemie-Experimente essen mussten, geht’s jetzt wieder zur Schlichtheit……Nur bei den Foodblogs findest Du noch diesen Schrott…..Neulich bei Alléno war alles einfach und ohne Chichi ( 3 Sterne). Und Haeberlin, ja, das war ein Grosser!

  3. Meine leichteste Übung, diese Art Frustbewältigung 🙂
    Und besonders deinen Präsentationen der schlichten, firlefanzfreien Gerichte fehlt nie das Chic!

  4. Wo kann man die Dinger fertig abholen?

    Der Anlass Eures Frusts sagt mir zwar nichts, aber ich kann mir vorstellen dass man die Produktionsmenge auch ganz ohne Frust verspeisen kann.

  5. Einfach und gut beeindruckt mich schon. Ich mag und mochte diese Schäumchen, Türmchen und Amuse“Gräuel“ noch nie.
    Bei der Fülle an Foodblogs findet man schon die richtigen für den persönlichen Geschmack.
    Ansonsten sagts der Muger schon: größer=besser

  6. … und zem Noodisch no zwai, drei so feini Kiechli mit Èpfel. Das fägt – meh bruucht‘ s nit !

  7. Ich würde deine Flammkuchen sehr gerne essen, am liebsten heute abend zu Wein. Aber nicht als Amuse in einem Menü, dafür sind sie mir nicht zu einfach (du weisst , wie ich zu Firlefanzprodukten steh) sondern zu sättigend. Bei den Haeberlins, deren Verdienste ich sehr wohl anerkenne, waren auch starke Esser schon nach 2 Gängen pappsatt. Und sie haben auch nicht mit Luxusprodukten gegeizt, im Gegenteil. Als Nebenwirkung der wirtschaftlichen Krisenstimmung geht der gastronomische Trend wieder mehr zur Einfachheit und zu regionalen Produkten, das finde ich gut. Nur retro wünsche ich mir nicht.

  8. ich war gestern abend bei klaus erfort essen, da standen als amuse auch zwei quadrate flammkuchen zum champagner auf dem tisch. heiss, saftig, mit duennem knusprigen teig drunter, zum glueck in kleiner portion.

  9. @Changpuak: da wirst Du bestimmt eine Mene lernen.

    @Bolliskitchen: um Chemieschäumchen und künstlichem Kaviar ist es selbst in Landgasthöfen merklich stiller geworden. Ein gutes Zeichen. Auch wenn Buchhandlungen inzwischen voll von Experimentierbaukästen sind. Wenn die alle verbaut sind, wird Ruhe sein, auch in Kochblogs.

    @der Muger: aus den ausgestochenen Teigresten gibts eine grosse 🙂

    @barcalex: da freut sich manches Reh und manche Gans…

    @Micha: leider war ich zu Lebzeiten von Paul H. nur einmal in diesem Tempel.

    @sammelhamster: unter der Tomate hab ich trotzdem etwas Speck versteckt.

    @Rosa May: so handy…

    @Aus meinem Kochtopf: man kann sie auch Frisbee-artig aus dem Fenster werfen. An der Reichweite muss ich jedoch noch arbeiten

    @Sybille-Anna: das ist gut so, es hat für alle etwas.

    @Basler Dybli: Nachtisch brauchts keinen bei der Menge Creme.

    @Eline: man könnte die Rondellen noch kleiner ausstechen 😉 Dass wir bei einem guten Essen lieber nur 3 Gänge, dafür von jedem Gang genug, essen, ist unser Tick. Man kann sich Tage später noch an das Essen erinnern, was bei 10 Kleinst-Gängen nicht so leicht fällt. Wir sind halt durch und durch Retro 😉

    @duni: es soll ja Champagner geben, die mit einem guten Crémant d’Alsace durchaus mithalten können 😉

  10. Bei uns gibt es zu Weihnachten Karpfen und vorher Fischbeuschlsuppe. Das ist eine Tradition, die in meinem Hause nie gebrochen werden darf. 😀 Da hat Wurscht- und Speckzeugs keinen Platz.

    Würde wie Eline die Flammkuchen als Kleinigkeit oder „Fingerfutter“ reichen und dazu einen guten Weißwein.
    Ich habe Flammkuchen leider noch nie im Original gegessen. Die Rezepte verlangen größteils knusprige, aber auch ein paar wollen weiche Böden. Wird der nun knusprig rausgebacken, oder muss der Boden weich bleiben?

    (Über die Inhalte der Kochblogs werde ich mich nicht wieder auslassen…. :-D)

  11. Ich durfte zu Lebzeiten des legendären Paul Haeberlin zweimal bei ihm essen, an diese kleinen Flammkuchen kann ich mich leider nicht erinnern. Ist ja auch schon ein Weilchen her.
    Doch Deine sehen köstlich aus und werden sicherlich ausprobiert. Bei uns dann auch mit Crémant d’Alsace.

  12. @bee: ach so, die kenne ich, Mengen verdoppeln !

    @the rufus: hier werden eben Wünsche noch erfüllt, mit Ausnahme der Schwarzplenten 🙂

    @entegut: dafür habe ich volles Verständnins, wenngleich ich noch nie einen Karpfen gegessen habe. Wenn Du den Teig dünn auswallst und auf einer untern Rille bäckst, wird er sehr knusprig, so muss er sein. Durchhängende Teige mag ich nicht verputzen, das kommt meist von zuviel Füllung her.

    @Ti saluto Ticino: wir waren leider nur einmal dort. Wenn man jung ist, fehlts meist an Geld für solche Lokale.

    @Elisabeth: Träume kann man nirgendwo so leicht realisieren wie beim Kochen !

  13. Früher durften diese leckeren Kleinigkeiten noch „amuse-gueule“ heissen, heute heisst es politisch korrekt „amuse-bouche“ oder noch schlimmer und noch zeitgemässer: „mise-en-bouche“. Da hört sich „fingerfood“ schon fast plump an. Wieso darf das eigentlich nicht „Häppchen“ heissen oder „Happen“? Essen tu ich die Dinger übrigens egal wie sie heissen!!!

  14. Haha! Die Warnung kommt zu spät. Vor ein paar Jahren habe ich mal Flammkuchen als Vorspeise zum Weihnachtsessen gemacht. Das kann einen schon in Schwierigkeiten bringen… 🙂

  15. Bekenne mich voll zu Retro – selbst im Tantris greife ich gerne zu drei max. vier Gängen à la carte und verschmähe das 10 Gang Degustationsmenü.

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