Fazzoletti carbonara mit Gesang

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Das Taschentuch, fazzoletto, war früher ein begehrtes Liebespfand. So wird klar, warum Othello es seiner Desdemona nicht verzeihen konnte, dass sie sein Geschenk, ein kostbares Taschentuch, verschlampt hatte. Ein Blick ins Textbuch zeigt, was Otello in dieser Szene zu singen hat:

Vederli insieme avvinti. . .
il fazzoletto! [parlandoil fazzoletto!  il f a z z o l e t t o !
Ah! Ah! Ah! [sviene]

Meine Fazzoletti bestehen aus Ravioliteig mit einem pochierten Ei, gebratenem Rohschinken und einer Schaumsauce aus Lardo di Colonnata. Dazu Parmesantuiles. Eine moderne Ableitung bzw. Dekonstruktion des klassischen Pastagerichtes. Während des Essens sang ich mit vollem Mund mit:  „il fazzoletto…! mmh! mmh! mmh!…..“ Nachdem wir die Teller leer gegessen hatte, wars allerdings zu spät, die Desdemona bereits erstochen. Uns blieb nur noch, dem Abgesang von Mario del Monaco zu lauschen, in einem schlechten Mitschnitt, der etwa 60 Jahre alt ist. Ergreifend, hinreissend, kraftvoll. Und das bei geleerten Tellern.

Zutaten
für 2 Personen
6-8 dünne Ravioliteigplatten (aus meinem tiefgekühlten Vorrat für Lasagne)
2 Eier
2-4 Scheiben Rohschinken
1 Scheibe Lardo di Colonnata
70 ml Rahm
1 Elf. Parmesan
Salz, schwarzer Pfeffer, Muskatnuss

für die Parmesantuiles:
20 g Parmesan fein gerieben
4 g fein gesiebte, selbstgemachte Brotbrösel

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Zubereitung
(1) Parmesan allerfeinst reiben und mit dem Feinanteil des Paniermehls mischen. Eine kleine, beschichtete Pfanne (15 cm Durchmesser) ohne Fettzugabe erhitzen. Die Pfanne mit der Käse-Mehlmischung bestreuen (am besten aus einem grobmaschigen Sieb). Erhitzen, bevor der Parmesan braun wird, vom Feuer ziehen, das tuile mir einer Pinzette erfassen, drehen und auf der andern Seite gelb werden lassen. Aus der Pfanne nehmen und auf einem Rundholz erkalten lassen.
(2) Teller vorwärmen.
(3) Lardo do Colonnata klein schneiden, in einem Pfännchen langsam schmelzen lassen, mit Rahm aufgiessen, Parmesan zugeben, aufkochen. Mit dem Handmixer mixen, würzen. Warmstellen. Vor Gebrauch schaumig aufmixen.
(3) Rohschinken in einem Pfännchen kross anbraten.
(4) Eier in sanft kochendem Wasser nach Daniel Düsentrieb mit einem grossen Schuss Essig pochieren, 3-4 Minuten.
(5) Lasagneplatten in kochendem Salzwasser garen.

Anrichten:
Auf einem Tuch abgetropfte Lasagneplatten auf den Tellern hübsch anrichten, pochiertes Ei und Schinken darauf anrichten. Mit der Sauce umgiessen. Schwarzen Pfeffer drüber mahlen. Parmesantuiles drauflegen, wenn sie nicht vorher schon gegessen wurden. Zusätzlich kam noch eine handvoll gegarter, geschälter fave drauf. Farbe ! Farbe ! Farbe !

Der Trick mit den feinen Brotbröseln macht die Tuiles knusprig.

35 Kommentare zu „Fazzoletti carbonara mit Gesang“

  1. Wow, mir laeuft gerade mal das Wasser im Munde zusammen… Bei so tollen Bilders da kriegt man ja schon wieder hunger, obwohls hier ja nach dem Abendessen ist… Da muss ich mir doch halt noch eine Scheibe Prosciutto hohlen, das ist das naechst beste das ich grad so habe 🙂

  2. Auweia, leeecker. Pochierte Eier sind derzeit in der Bloggerwelt der Renner. Obwohl ich gestern auch schon hatte, könnte ich heute nach dem Anblick Deines Tellers schon wieder… Teigplatten hätte ich auch noch…

  3. Sieht sehr schön aus – jetzt weiss ich, was heute Abend auf den Tisch kommt. Ich freue mich schon auf das Konzert der Geschmäcker in meinem Mund.
    Während des Essens werde Frau E. und ich uns an die wunderbare und eindrückliche Othello-Aufführung in Winterthur erinnern mit dem Jazzpianisten Jens Thomas, welcher die Ränkespiele und Intrigen des Jago mit Klagegesängen und Klangfetzen am Flügel begleitete.
    Vielen Dank für’s Rezept und die Erinnerungen!
    Liebe Grüsse
    Urs

  4. @simplehealthyhomemade: Prosciutto klingt nicht schlecht, und das von Dir selbst gebackene Brot (Baslerbrot ?) passt gut dazu.

    @schnick schnackschnuck: „oh blutges Ende“, auf meinem Teller gibts kein Blut.

    @Micha: Teller anschmachten. Typisch Internet 😉

    @Rosa May: I saw this dish in a restaurant in Rapperswil.

    @Wilde Henne: die pochierten Eier nach Daniel Düsentrieb habens mir angetan.

    @Urs: hier liegt alles nebeneinander. Ausser den Zutaten hat es mit dem Original nichts zu tun. Vermutlich so was ähnliches wie Chr. Hombergers Einmann-Zauberflöte in Basel.

    @the rufus: der Einzige, der kein Angst vor der Rolle hat….

    @kochfrau: mit einem Zierrädchen ausgeschnitten wirken die Taschentücher wie brodiert.

    @tomatenblüte: den Gesang nicht vergessen !

  5. Danke für den Tipp, meine Parmesan-Experimente waren da bisher eher ungeschickt und blieben auch größtenteils in der Pfanne.

  6. Singen beim Kochen wär bestimmt leichter, als singen beim Essen… lach! Das hätt ich ja zu gern gehört!
    Wenn ich denn wählen könnte, würd ich mich auch lieber für die Fazzoletti im Teller entscheiden als für eines aus Stoff… mit so einer feinen Sauce könnt ich eh nicht wiederstehen!

  7. Mit solch düsteren Szenen und Gesängen würde mir der Bissen im Halse stecken bleiben und meine Kinder würden mich für verrückt erklären:)
    Du bekommst schon Saubohnen? Schnell mal nachfragen, ob sie bei uns schon eingetroffen sind!

  8. Alle schreiben über deine Taschentücher mit Ei – auch wunderbar, sogar sehr.
    Aber dass du uns seit langem wieder mal mit Gesang beglückst – nicht deinem, den vom göttlichen Mario 😉 – freut mich besonders, danke!

  9. Fazzoletto ist eines meiner Lieblingsworte! Ich konnte es als Kind nie richtig aussprechen und nannte es immer – ganz der Schweizerischen Unart folgend, alles auf -li zu enden – Fazonetli! Abgesehen davon sieht der Teller herrlich „ahmächelig“ aus…

    Liebe Grüsse,

    Vanessa

  10. Wowowo…Hunger!!!!!
    Das sieht ja vielleicht fein aus. Und nachdem ich jetzt gegoogelt habe, weiß ich auch, was Lardo ist.
    Mein Mann als „Halbitaliener“ nennt das Fazzoletto immer Fazolettle. Schwaben prägt halt… 😉

  11. Wegen Lardo di Colonnata musste ich nun erst einmal Google befragen. Das ist aber eh normaler Lardo, oder?
    Dein Ei ist sehr schön geworden! Hast du die Ränder irgendwie zugeschnitten? Bei mir sind die immer so ausgefranst.

  12. @bee: das Wenden der weichen Parmesanschmelze mit der Pinzette ist der schwierigste Teil.

    @Wilde Henne: hier bei mir, nächsten Montag. Ein kleiner Trick, den nicht mal Betty Bossy kennt.

    @Pepe Nero: in der Oper wird auch während des Essens gesungen, berühmt ist der Fasanenschenkel, den Leoporello im 2. Akt des Don Giovanni isst.
    http://www.youtube.com/watch?v=GMaD_2zEFa4 Falls Du keine 3 Stunden Zeit hast: Szene ab 2:34h

    @Magdi: mich braucht niemand für verrückt zu erklären, ich bin es 😉 Saubohnen gibts hier schon seit etwa 3 Wochen aus Süditalien.

    @Eline: Schnitzel und Gesang unter einen Hut zu kriegen, ist gar nicht so einfach.

    @Vanessa: so entsteht Sprache. Fazeneetli kennt man auch im Basler Dialekt. siehe auch http://www.drs.ch/www/de/drs/160840.fazeneetli.html

    @Ariane: wobei, das sei hier auch gesagt, das Original unübertroffen bleibt.

    @Tanja: und Du nennst die Maultaschen sicher tasca di muso 🙂

    @Turbohausfrau: weisser Speck in grobkristallinen Marmorbecken gereift. Das Ei ist nach der revolutionären Daniel Düsentrieb-methode hergestellt. Nächsten Montag, an dieser Stelle.

  13. Daniel Düüsetriib-Methode seht nach eme Filmli us am kommende Mäntig. Richtig … ? 😉
    Fascht vergässe. Das isch e ganz e reizvolli Kombination !

  14. Ein wunderschöner Teller! Wäre ich heute Abend nicht im Hotel untergebracht (beruflich und deshalb wenig glamourös), würde ich mich sofort an den Herd stellen. Deine Kreativität und die Geschichten zu den Rezepten gefallen mir wirklich immer sehr!

  15. ich dachte, es gäbe jetzt ein kleines video mit dir am kochen und singend noch dazu :D! nee, ich weiß, dass hast du uns erspart. mehr zur dekonstruktion kann ich auch nicht weiter sagen. ich finds toll.

  16. Das pochierte Ei gäbe einen wunderbaren Sitzhocker für die Ente. So weich, so warm …
    (Damit es nicht heißt, ich krame nur in alten Beiträgen. Heute regnet es!)
    Ich liebe pochierte Eier auch zum Essen und nicht nur draufsitzen.

  17. ah jo…

    …quel fazzoletto ieri…lo vidi in mane di Cassio (!!!!!ORCHESTER!!!!!!)….o.ä.

    das gericht sieht sehr gut aus

  18. Da weiss ich wahrhaftig nicht was mit besser gefällt: Dein phantastisches gericht oder der Gesang von Mario del Monaco. Ich galube ich würde die pochierten Eier essen udn den del Monaco als Musikbegleitung anhören;-) Deine Daniel Düsentrieb-Methode ist das der Trick mit dem Bermuda Dreieck?

  19. @Küchenjunge: genial ? einfach eine Variante… meist wenige gut als das Zusammenspiel im Orginal.

    @Basler Dybli: nein, weiss gar nicht, ob die Batterie in der pocket-camera überhaupt noch funktioniert.

    @Germanabendbrot: Danke, Geschichten beflügeln beim Kochen. Ohne, stehe ich ganz hilflos und verzagt am Herd.

    @nysa: wie jeder Bariton hab ich mich an Otello versucht, dabei die Stimme ruiniert, seither koche ich.

    @entegut: zur Verwendung als Sitzhocker müsste man die Garzeiten optimieren. Weich, aber doch nicht so weich, dass ein Ente darin versinkt.

    @annatina: Kabale und Liebe, immer dasselbe.

    @Margit Kunzke: Monaco ! Monaco ! Monaco ! musste bei Deinen Onsen-Eiern erst nachgucken, was Du unter Bermuda-Dreick-methode meinst. Nein, das strudelt nur das Eiweiss im Topf herum.

    @Chris: beinahe ein mise en place.

  20. ich weiß, warum ich in letzter zeit so selten blogs lese: reiner selbstschutz. ich käme nicht mehr aus der küche raus! allein dir verdanke ich ja schon mindestens zehn lieblingsrezepte.
    (nur den schinken lasse ich weg, beim nachkochen, denke ich.)

  21. @Pepe Nero: mmmh mmmh mmmh, alles auf dem gleichen Ton

    @Arthurs Tochter: aber nur wenn ein Gentleman in der Nähe ist.

    @utecht: je mehr Blogs es gibt, desto weniger kann man lesen. mir würde der Schinken fehlen.

    @pimpimella: dafür hat man doch ein Taschentuch 😉

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