CH-8193 Eglisau: Städtchen am Rhein und andere Fundsachen

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Eglisau, Rheinfront, bei trübem Wetter

Wer von Schaffhausen herkommend mit der Bahn nach Bülach fährt, darf über die alte, in den Jahren 1895 bis 1897 durch die damalige Schweizerische Nordostbahn erbaute Eisenbahnbrücke fahren. Die ist 457 Meter lang und über dem Rhein 50 Meter hoch. Wer mit dem Auto kommt, muss sich die Brücke von unten ansehen.

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Eglisau: Eisenbahnbrücke der Nordostbahn

Älter ist das zur Eisenbahnbrücke gehörende Städtchen. Schon zu Kaiser Valentinians Zeiten standen hier Wachttürme am Rhein, hielten Wacht am Rhein und sicherten damit die Grenzen des spätrömischen Reiches. 700 Jahre später errichteten die Freiherren von Tengen am linken Ufer einen Wehrturm an der Rheinfähre. Die Stadt entstand später, etwa gleichzeitig mit der Brücke über den Rhein, 1248. Im Jahre 1542 wurde die Brücke erneuert und gedeckt, 1799 stritten sich Russen und Franzosen nach der Schlacht bei Zürich um den Besitz der Brücke und brannten sie nieder. „Wenn wir sie nicht kriegen, sollen die sie auch nicht besitzen“. 12 Jahre später wurde sie wieder aufgebaut. Doch genügte sie dem wichtigen Warenverkehr aus dem süddeutschen Raum Richtung Zürich bald nicht mehr. Die „Schwabenwagen“ brachten u.a. Korn, Wein, zuweilen Heringe und Glas aus dem Schwarzwald. Der steile Weg durch das enge Städtchen führte über die Brücke direkt in den Schlosshof und die Zollstation des linksufrig stehenden Schlosses Eglisau. Als 1919 durch den Bau eines Stauwehrs der Rheinpegel um rund 7 Meter angehoben wurde, wurde eine Umfahrungsstrasse mit einer höher gelegten Brücke notwendig, die alte Holzbrücke und das Schlossgebäude wurden abgerissen. Die alten Stadttore waren schon längst dem Zeitgeist geopfert.

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Untergasse bei Sonnenschein

Die Grund- und Gerichtsherrschaft lag bis 1463 bei den Freiherren von Tengen, die ihren Sitz in der vorderösterreichischen Hegau hatten. Zürich erwarb 1496 die Herrschaft Eglisau aus der Hinterlassenschaft des Freiherrn Gradner von Windisch-Grätz. Zürich respektierte die Selbstverwaltung der Landstadt und bestätigte 1510 das seit der Gründung bestehende Markt- und Stadtrechte.

Der historische Kern des Städtchen ist klein: zwei Gassen, teils mit spätgotischen Häusern. Aus dem 14. Jahrhundert datieren die Kernbauten des Hauses zum Törli, der Gasthöfe Krone und Hirschen, eindrucksvoll die Fassadenmalerei von 1662 am Gasthof Hirschen.

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Untergasse wolkenverhangen, links das historische Gasthaus Hirschen

Die mit der Stadt erbaute erste Leutkirche, eine romanische Saalkirche, war der Gottesmutter Maria geweiht. Sie wurde nach 1337 durch eine Kirche mit gotischem Chor ersetzt, die im 15. Jahrhundert reichen Freskenschmuck erhielt. Der Übertritt zur Reformation (Bildersturm) erfolgte 1523.

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Stadtkirche vom Kirchhof aus gesehen
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Eingangsportal der Stadtkirche
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Gasthof Hirschen an der Untergass

Im historische Gasthof Hirschen wollten wir Einkehr halten, gemäss angeschlagenen Öffnungszeiten hätte geöffnet sein müssen. Alles dunkel. Nachfrage an der Hotelrezeption ergab den Bescheid, dass man aufgrund des kühlen Wetters geschlossen habe, um 17 Uhr sei man wieder für uns da. Was Frau L. zur Bemerkung veranlasste, dass wir um 17 Uhr für das Restaurant nicht mehr da seien. Ein Glücksfall, so gerieten wir in das VIVI-KOLA-Cafe.

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im VIVI KOLA Cafe an der Untergass

Wiederbegegnung mit VIVI-KOLA, dem schweizerisches Kultgetränk unserer Jugend. Der braune Trank wurde erstmals im Jahr 1938 in Eglisau abgefüllt, geriet später in die Hände der Brauereigewaltigen des Landes, diese liessen das im Kampf gegen Coca-Cola unterlegene Getränk 1986 aus marktstrategischen Gründen fallen. Amerika, Du hast es besser. [wirklich ?] Vor zwei Jahren erwarb sich ein junger Eglisauer die Rechte an Rezeptur und Marke und lässt, im luzernischen Hinterland, wieder abfüllen. Angenehmes Café mit integrierter Kaffeerösterei, geröstet wird jeweils montags. Wir kehrten mit einem Harässli VIVI-KOLA heim.

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Reklame aus einer Zeit, in der man vom Arbeiten noch ins Schwitzen kam

Im Städtchen selbst geht es heute recht ruhig her und zu. Ganz anders vor der Stadt auf der heutigen Strassenbrücke. Laster um Laster donnert vorbei. Kies statt Wein, Korn und „vlämische Wolle“. Kies für die Betonhungrige Schweiz.

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Nur eine Katze, ist ja angeschrieben

Quelle:
Historisches Lexikon der Schweiz

18 Kommentare zu „CH-8193 Eglisau: Städtchen am Rhein und andere Fundsachen“

  1. Von wegen *nur Katze* 🙂
    Das ist fremdenverkehrstechnisch gesehen mal wieder eine Schweizer Perle, die du uns zeigst!

  2. Was für ein herziges Büsi!
    Ein ganz süsses Städtchen, dass ich „nur“ vom Namen her kenne, sonst hatte ich ja keine Ahnung. Zum Glück haben wir Dich, der uns solche Perlen näher bringt!
    Ja und Vivi-Cola! Das hatte ich schon ganz vergessen!
    Sieht nach einem sehr gemütlichen Cafe aus! Das alte Werbeplakat ist der Hit!

  3. also wenn du mal nach lichtensteig gehst – dann lade ich dich gerne in meine einfache stube ein zu einem tollen latteart „macchiato“ 🙂
    lg
    albino

  4. Mit den Cola-Getränken ist es wie mit dem Bier. Die Zeit des industriellen Einheitsgeschmacks geht vorbei, es ist wieder möglich, gute Produkte mit eigenem Charakter zu verkaufen. Vielfalt ist immer gut, und sei es regional.

  5. Eisenbahnbrücken – und zudem solch‘ schöne – sieht man am besten immer von unten. Wenn man drüber fährt, hat man die schöne Sicht, aber sonst nichts.
    LG, April

  6. Mir gefällt nicht nur die eine Katze, sondern wieder einmal alles. Danke für den schönen Bericht.

    (Mehr kann ich nicht schreiben, das Tippen geht mühsam mit einem schnurrenden Kater auf den Knien.)

  7. @Micha: es hat noch viele Städtchen hier ! Ich kann noch lange nicht ans Aufhören denken 🙂

    @Pepe Nero: nicht ? für uns liegt Eglisau am Weg in den Osten.

    @the rufus: einmal von vorne und einmal von hinten.

    @Albino: hab ich mir notiert. Letzten Herbst waren wir schon in Lichtensteig, da ware aber alle (alle) Strassen glechzeitig aufgerissen. Deshalb gabs keine Foto.

    @M. Herrmann: Danke, das wissen wir jetzt, früher sind wir meist durchgefahren.

    @Rosa May: you think of the cat 😉

    @bee: das mag sein, der Expansion sind zwar Grenzen gesetzt, aber Grenzen sind nichts Schlechtes. Wohin grenzenloses Wachstum führt, sehen wir derzeit.

    @april: diese hier wäre aus der Ferne noch schöner.

    @Barbara: der Kater hat Priorität, ist mir klar, die Kerle wissen, wo die delete-taste liegt.

  8. Von Eglisau aus gibt es eine schöne Wanderung durch den Rebberg dem Rhein entlang bis zur Tössmündung. Der Wein aus Eglisau ist auch nicht zu verachten… Bei Eglisau erinnere ich mich an Märlitante Trudi Gerster, die ein Märli von drei kleinen Ferkeln zu erzählen pflegte, s Märli vom Willisäuli, vom Brülisäuli und vom Eglisäuli…

  9. sind immernoch – ich informiere dich wenn alles wieder zu ist 🙂

  10. Scheeni Photeli bi triebem Wätter sin bi dir sälte aazträffe. E interessante Bricht hingege gar nit.
    Dr Schnappschuss mit dr Katzediva isch e Klass für sich !

    P.S. lueg au unter em 29. April 2012

  11. @Bea Wyler: die Wanderung kenne ich ich; als wir noch jung waren, sind wir mal von Ellikon bis Eglisau gewandert. Die Märlitante geht und ging mir hingegen immer auf den Wecker 🙂

    @Albino: danke für die Einladung (fast vergessen)

    @Basler Dybli: 😉 so rasch vergeht die Zeit.

  12. Nein, leider nicht. Ich schaffs eher nicht so in diese Richtung. Und um mir gemütlich etwas an zu sehen, dazu fehlt leider meisst die Zeit. Und wenn’s mal reichen würde, dann ist da immer noch Herr P.N., der für sowas nur sehr schwer zu haben ist… Du erinnerst Dich? Schrauben und Steckdosen… lach!

  13. @entegut: manchmal fahren wir erst nach einem zuhause eingenommenem Mittagessen weg. Besser als dort isst man erfahrungsgemäss selten.

    @Pepe Nero: Baumärkte hats im ganzen Land, aber mpmentan komme ich auch kaum weg. Mal ist es das Wetter, und wenns Wetter will, dann ruft der Garten oder sonstwas 😉

  14. „aus einer zeit , in der man vom arbeiten…“ welch ein philosophischer ansatz , der einem den wandel der arbeitswelt plakativ, im wahrsten sinn des wortes, nahe bringt. toll, danke

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