Kartoffelgnocchi, zäh oder zart ?

Kartoffelgnocchi

Ich hab mir mal einige meiner Lieblingskochbücher vorgenommen, die Rezepte für Kartoffelgnocchi herausgeschrieben, Zutaten und Mengen verglichen. Unglaublich ! Die Kochbuchautoren scheinen die Rezepte ihrer Grossmütter unbesehen und unreflektiert abzuschreiben. So nett die Erinnerung an die Nonna sein mag, den tradierten Rezepten fehlt oft jede Logik. Alle Autoren beanspruchen aber unisono, mit ihrem Rezept leichte, luftige, eben perfekte Gnocchi herzustellen. Höchste Zeit, dass ich mich der Kartoffelgnocchi annehme ! Zu den Fakten:

Die Basis von Kartoffelgnocchi besteht, immerhin unbestritten, aus Kartoffeln, Mehl und ggf. Ei bzw. Eigelb.

Auswahl und Kochprozess der Kartoffeln:
Junge Kartoffeln sind für Gnocchi ungeeignet, sie sind zu feucht. Um den Teig verarbeiten zu können, muss zu viel Mehl eingearbeitet werden. Geeignet sind normale, gelagerte Salatkartoffeln (zB Ratte, Amandine). Kein Thema für die meisten der Autoren.

Ein Autor schreibt festkochende vor, die Mehrheit verlangt mehlig-kochende (mehlig = zart ?) oder überlässt die Wahl dem Leser. Wissenschaftlich längst bewiesen, enthalten festkochende Kartoffeln weniger Stärke und sind dadurch für Gnocchi besser geeignet als mehligkochende. Das Püree wird luftiger, weil weniger Stärke da ist, die beim Pürieren aufbricht und zu Klebrigkeit führt (siehe unten). Die Nonnas konnten das noch nicht wissen, ihre schreibenden Enkel/innen schon.

Für den Kochprozess findet man die unterschiedlichsten Methoden: Da werden Salzkartoffeln gekocht oder gedünstet und das viele Wasser, das sie aufnehmen, halt wieder mit Unmengen Mehl kompensiert. Andere gehen von Pellkartoffeln aus. Dann wird empfohlen, nicht zu oft reinzustechen, damit sie sich nicht mit Wasser vollsaufen können, immerhin. Interessanter die Methode von Autor (3): die Kartoffeln werden ungeschält, aber mehrfach angestochen in den Backofen gegeben und wie baked potatoes gegart, damit geben sie Wasser ab, statt noch mehr aufzunehmen. Einig ist man sich nur darin, dass die Kartoffeln noch heiss zu Püree verarbeitet werden müssen, da sich der Teig auf diese Weise leichter verarbeiten lasse.

Kartoffelpüree:
Mit Kartoffeln muss behutsam umgegangen werden. Rührt oder knetet man das Püree zu fest, werden die Proteine der Kartoffeln aus den zerbrochenen Stärkekörnern freigesetzt, die Proteine lagern sich zusammen, es bilden sich grosse Netzwerke, daraus resultiert ein klebriges Püree, sogenannter Kartoffelkleister, beliebt zum Ankleben von Tapeten. Einer der Autoren (4) hat das in seinem Buch richtig erkannt, widerspricht sich aber in einem Zeitschriftenartikel (Migros-Magazin 9, 26.2.2007) gleich wieder mit der Aussage: „Fleissig kneten“.

Kartoffelpüree kann nur mittels mechanischer Einwirkung hergestellt werden: die schonendste Art ist das Zerdrücken mit einer Essgabel. Auch der klassische Kartoffelstampfer ist gut, er hat grosse Löcher. Kartoffelpressen und Flotte Lotten sind gut geeignet, wenn sie nicht zu fein gelocht sind. Ungeeignet sind Zauberstäbe und anderes Rührwerk. Diese Zerreissen die Stärkekörner und ergeben direkt Tapetenkleister.

Mehl:
Meist wird „Mehl“ verwendet. Marcella Hazan nimmt Weizengriess. Eigentlich keine schlechte Idee, weniger klebrig. Die eingesetzten Mehlmengen schwanken zwischen 10-45% (!!!!) der eingesetzten Kartoffeln. Rekordhalter ist Autorin (6). Kein Wunder nach all dem Gesagten. Mehl brauchts, sonst halten die Gnocchis nicht zusammen, zuviel Mehl macht sie zäh.

Eier:
Gute Köche im Veneto geben (gemäss Marcella Hazan) keine Eier zum Teig hinzu. Eier halten die Gnocchis beim Kochen zusammen, machen die Gnocchis aber auch fester und zäher. Ich habe mich noch nie getraut, Gnocchis ganz ohne Ei herzustellen. Aber je weniger Ei, umso besser, und umso weniger Mehl muss zugefügt werden.

Aus all diesen Überlegungen habe ich mir mein eigenes Rezept zusammengestellt. Mein Kochexperiment erscheint Morgen: „Gnocchi di patate, ma perfetto ?“

Verwendete Literatur zum Thema Kartoffelgnocchi:
(1) Marcella Hazan, Die klassische italienische Küche, Rolf Heyne
(2) SlowFood: La cucina casalinga, Droemer Knaur
(3) Mario Gamba: Cucina del Sole, Collection Rolf Heyne
(4) Rudolf Trefzer: I Sapori del Piemonte, AT-Verlag
(5) Der Silberlöffel, Phaidon Press Ltd
(6) La nonna – La cucina – La vita, Larissa Bertonasco, Gerstenberg

übrigens, zum Thema Kartoffeln und Pasta gibts seit einigen Wochen einen neuen, lesenswerten Blog. Ohne Bilder, aber mit Inhalt: pasta&potato

28 Kommentare zu „Kartoffelgnocchi, zäh oder zart ?“

  1. ohne ei haben wir uns auch noch nie getraut. aber unter den kartoffelsorten wählen wir stets die „vorwiegend festkochenden“ oder gar die „festkochenden“: einmal nur haben wir’s mit „mehligen“ probiert – was für ein malheur – nie wieder! würdest Du weizengriess und mehl mischen oder weizengriess allein benutzen? wird die teigmischung dabei dann nicht zu körnig?

  2. @reibeisen: Bei Weizengriess hab ich auch Bedenken. Auch Mischen hilft nicht, die groben Körner wären ja immer noch da. Drum verwende ich (als Kompromiss) den feineren Weizendunst. Morgen, im Rezept.

  3. Sehr interessant. Ich erinnere mich an eine frühe alfredissimo-Folge in den 80er-Jahren. Dort erklärte die italienische Journalistin Franca Magnani – sie starb 1996 – dass sie stets ein Ei nehme. Selbst wenn Sie die Teigmenge verdoppele, nähme sie nur ein Ei. Habe ich jedenfalls damals so aufgeschrieben. Wäre vielleicht „Semolina di grano duro rimaccinata“ eine Alternative zum Weizengrieß?

  4. Chapeau Robert, was für ein geniales kulinarisches Essay!!!
    Ich habe es längst aufgegeben Gnoochis selber zu machen, viel zu aufwendig und zu guter Letzt auch ein sehr unbefriedigendes Endprodukt. Allerdings werde ich meine ersten Gnoochis mit Salbeibutter und einem Hauch Parmesan/Peccorino in dem ital. Städtchen Montepulciano nie, nie vergessen.

    Ich bin schon sehr neugierig auf Teil II …….

  5. @Claudia: an die Franca M. Sendung kann ich mich erinnern, nicht mehr an die Einzelheiten. Ich hab für meine Gnocchi den Weichweizendunst vorgezogen, ich vermute, mit Hartweizen werden sie bissfester. Das ist bei Pasta erwünscht, bei Gnocchi eher diskutabel. Bei Hartweizengriess (Dein semolina) hab ich Bedenken, dass die Körnung bleibt, weil man den Teig ja nicht ruhen lässt. Lässt man ihn ruhen, feuchten die Kartoffeln durch.

    @BerlinKitchen: und dazu eine Flasche Vigna Asinone von Carletti (Poliziano).

  6. Die familiäre Überlieferung hierorts erklärt Mehl zu einem Tabu und schreibt feinen (Weichweizen-)Grieß vor, der nicht so pappen soll wie Mehl. Zu den Kartoffeln machten die Ahninnen keine Angaben, weshalb ich im Vertrauen auf diverse Kochbuchautoren immer mehlige wählte – wenn das der Grund für die regelmäßig indiskutablen Ergebnisse war, hau ich den Schreiberlingen ihre Bücher um die Ohren! 🙂
    Warte schon gespannt auf dein Rezept …

  7. Habe gerade gestern Gnocchis für den Müll produziert, und zwar nach einem Rezept von Alexander Herrmann. Als Zutat zu mehligen Kartoffeln, Ei und Mehl kam noch 1 Eßlöffel Quark hinzu. Die Masse war dann natürlich viel zu feucht und durch nichts mehr zu retten. Freu mich auch schon auf’s Rezept.

  8. Wieder einmal ein kleines kulinarisches Highlight. Freue mich schon auf die Fortsetzung, vielleicht traue ich mich dann auch mal wieder selber an’s Gnocchi-Machen…

  9. Ein amüsanter Bericht Robert, ich bin schon auf deine Gnocchi morgen gespannt.

    Meine Großmutter schwörte auf höchstens 1 EL Kartoffelmehl zur Bindung, allerdings für Knödel. Die Kartoffeln waren damals nicht mehlig aber auch nicht speckig, irgendwo dazwischen.

    Ich finde Weizendunst auch eine gute Wahl
    lg

  10. @Hedonistin: da hab ich ja glückhaft zum richtigen Mehl gegriffen.

    @lavaterra: ein schlechtes Kartoffeljahr. Der arme Alexander Herrmann ist vielleicht unschuldig. Er kanns schon.

    @Mike B.: abwarten..

    @ilka: ist vermutlich schon so. Mit wenig Mehl gehts auch. Deine Grossmutter hätte ein Kochbuch schreiben sollen, dann könnte ich mich jetzt zurücklehnen 🙂

    @kulinaria katastrophalia: das wäre wirklich interessant, aber aufwendig: mehrfach kochen, identische Zutaten, unterschiedliche Mengen und Verfahren im Blindversuch mit mehreren Testern. Etwas für die Stiftung Warentest „Kochbücher im Test“.

  11. 1. mehlige kartoffeln heute und frueher. meine oma (nicht die nonna, die schert sich nicht sehr um kartoffeln und gnocchi gabs bei ihr auch keine, nicht mal aus kastanienmehl) klagt seit jahren ueber ungeeignete mehlige kartoffeln. zusaetzlich kommt noch dazu, das offenbar die norddeutschen mehligen kartoffeln total mies sind. sie braucht die zwar fuer kloesse, kommt aber fast aufs selbe raus.
    2. der gnoccho aus kartoffeln ist eine sehr ueberbewertete teigware. aus kastanienmehl, ok.
    aus kartoffeln muss nicht sein.
    3. quark!! is der jeck!

  12. @Robert: Das durchfeuchten der Kartoffeln ist in der Tat ein Problem. Ich habe mal versucht einen Rest vom Gnocchi-Teig am nächsten Tag zu verwerten. Absolut unmöglich. Mein spezieller Hartweizengrieß ist wesentlich feiner, fast mehlartig. Der sollte keine Probleme bereiten ich probiere das demnächst mal aus.

  13. Beim Durchstöbern des Blogs bin ich auch auf diesen Eintrag gestoßen und ganz begeistert, ich habe bisher nämlich munter den typischen Kartoffelempfehlungen vertraut und mich mit der mehligen Sorte geplagt – Das werd‘ ich gleich beim nächsten Mal ändern.

    Der Mehlverbrauch hingegen stört mich nicht ganz so, da ich meine Gnocchi gern etwas bissfester habe, aber insgesamt eine wirklich hilfreiche Zusammenfassung und Auswertung.

    Danke!

  14. Oje, jetzt weiß ich endlich, warum mich das Püree früher an den Rand des Wahnsinns trieb: Schüssel, Rührgerät, Finger – alles voll „Profikleber“ – und ich konnte mir keinen Reim darauf machen …

    Das war jetzt wirklich ungemein hilfreich!

  15. Die diversen Gnocchi-Beiträge hier auf dem Blog sind ja alle hochinteressant. Wobei ich jetzt einfach mal frech die Variante mit den Instant-Flocken ausprobieren werde. 😉

  16. Am Wochenende habe ich mich an Kürbis-Gnocchi mit Orangenbutter versucht und den Rezeptautor verflucht, weil die Gnocchi viel zu zäh wurden. Ich habe/musste einfach zu viel Mehl hinzugeben. Dank diesem Artikel bin ich nun um Einiges schlauer. Super, das war echt hilfreich! Grüße aus München!

    1. ob man Ricotta, Kürbis oder Kartoffeln zu Gnocchi verarbeitet, es ist immer dasselbe. Das Zuviel an Wasser muss vorher weg, dann gehts mit weniger Mehl.

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