Der Tafelspitz

Der Tafelspitz
Ausgerechnet Tafelspitz. Ich bin ja kein Wiener, allenfalls kann ich eine gewisse, lockere Zugehörigkeit einiger Vorfahren zum habsburgischen Weltreich geltend machen. Das ist aber auch schon Jahrhunderte her. Im Hietzinger Bräu war ich auch noch nie. Seis drum: Es ergab sich, dass mein Schweizer Metzger Tafelspitz im Angebot hatte. Aufgrund der etwas eigenen schweizerischen Zerlegetechnik kommt das selten vor. Ich hätt auch Hieferschwanzl oder ein mageres Meisel, einen Kruspelspitz oder Kavaliersspitz genommen, aber derartige Stücke gibts hier nicht. Das Besondere an meinem Tafelspitz ist der kandierte Meerrettich, der zusammen mit einem separat und knackig zubereiteten Bouillongemüse serviert wird. Das Fleisch war zart, ein Gedicht, erst beim Anschauen der Fotos ist mir aufgefallen, dass ich das Fleisch in der Faserrichtung aufgeschnitten habe. Grosse Köche haben alle mal klein angefangen. 🙂 zum Rezept

Zutaten
für den Fleischsud:
1 Tafelspitz ca. 1 kg mit etwas Fettdeckel
3 Kalbsknochen (einer mit Mark)
1-2 Elf. Olivenöl
1 kleine Schalotte
1/2 kleine Stange Lauch
2 Stangen Staudensellerie
1 Karotte
1 Lorbeerblatt
1/2 Knoblauchzehe
1 kleiner Zweig Thymian
3 zerdrückte Wacholderbeeren
5 zerdrückte Pfefferkörner
10 zerdrückte Senfkörner
1 Gewürznelke
5 zerdrückte Pimentkörner
2 Petersilienstiele
Muskatnuss
Pfeffer
Salz
1/2 Tlf. Liebigs Fleischextrakt

für das Bouillongemüse:
10 g Butter
1/2 Knoblauchzehe
2 Karotten
2 kleine Kartoffeln
1 Schalotte
1 Petersilienwurzel
2 Stangen Staudensellerie
1/2 kleine Lauchstange (hab ich bei mir glatt vergessen beizugeben)
Schnittlauch  (war keiner mehr da, bei mir das Grüne von Bundzwiebeln)
Estragonessig: 1 dl Weissweinessig mit ein paar Blättchen getrocknetem oder frischem Estragon 1-2 Tage anstellen, dann absieben.

kandierter Meerrettich (siehe gestrigen Beitrag)

Tafelspitz roh

Vorbereitung
(1) Tafelspitz und Knochen in wenig Olivenöl bei milder Hitze rundum anbraten bis sie etwas Farbe angenommen haben. Herausnehmen. Öl abtupfen. Poren werden dabei keine geschlossen. Anbraten gibt der Brühe Aroma und hilft mit, sie klar zu halten.
(2) Tafelspitz samt Knochen in eine grosse Pfanne legen, mit ca. 2 L kaltem Wasser angiessen, er sollte eben bedeckt sein, schwach salzen und die Brühe zu schwachem Simmern bringen (Schuhbeck: bis es blubb…blubb macht. Übersetzt für Nicht-Bayern: Temperatur bei etwa 90-95°C halten).
(3) Fleischextrakt, die Schalotte und die Hälfte der Gewürze sowie ein zusammengebundenes Gemüsebouqet aus Lauch, Karotten und Staudensellerie beifügen. Etwa 2.5 h unbedeckt leise simmern. Nicht mit dem Kochlöffel in der Brühe rumrammeln, damit Trübungsverursachende Proteinpartikel aggregieren können. Zwischendurch Fett und Schaum abschöpfen.
(4) Nach 2 Stunden Garzeit die restliche Hälfte der Gewürze hinzugeben.
(5) 5 Minuten vor Garzeitende die Petersilienstiele zugeben. Mit Salz, Pfeffer und Muskatnuss nachwürzen.
(6) Kurz vor Garzeitende den kandierten Meerrettich bereitstellen: 1-2 Elf kandierte Meerrettichstreifen pro Person in einem Pfännchen mit etwas Estragonessig aufkochen.

für das Bouillongemüse:
(7) Schalotte fein schneiden. Lauch fein schneiden. Die übrigen Gemüse in etwa 1 cm grosse Würfelchen schneiden.
(8) Topf mit der Knoblauchzehe ausreiben. Die Butter schmelzen, Schalotte darin andünsten. Kartoffelwürfel zugeben und mit 1 Elf. Estragonessig ablöschen. Karottenwürfel zugeben, etwas von der Fleischbrühe angiessen und andünsten, Staudensellerie und Petersilienwurzelwürfel zugeben und nach Bedarf mit wenig Fleischbrühe angiessen. Kurz bevor das Gemüse gar ist, die Lauchwürfelchen zugeben und wenn gewünscht, mit wenig Butter binden.

Anrichten
Tafelspitz herausnehmen, quer zur Faser in Scheiben schneiden (da stehts sogar, Herr L. !). Mit dem Gemüse, den kandierten Merrettichstreifen und etwas (ungeklärter) Brühe anrichten.

Anmerkung
Mein Rezept ist im Lauf der Zeit aus 2 Quellen gewachsen: Alois Köpf in Essen wie Gott in Deutschland, sowie Alfons Schuhbecks Kochschule, beide verlegt bei Zabert Sandmann.
Üblicherweise wird da eine halbe, gebräunte Zwiebel als Farbgeber mitlaufen gelassen. Diesen Verbrannte-Zwiebel-Nachkriegs-Geschmack mögen wir nicht und nehmen deshalb etwas Fleischextrakt.
Die separate Zubereitung des Bouillongemüses hat den Vorteil, dass die Fleischbrühe nicht allzu „gemüselastig“ schmeckt und die Gemüse wirklich knackig gegart sind. Wer sich diesen Aufwand sparen möchte, kann die (ganz belassenen) Gemüse eine halbe Stunde vor Garzeitende direkt in die Brühe geben.

12 Kommentare zu „Der Tafelspitz“

  1. Alles – fast – tadellos. Aber Fleischextrakt braucht es hier nun wirklich nicht. Frabe geben auch Zwiebelschalen und 2 – 3 halbierte Tomaten. 1 – 2 Sternanis passen auch gut in die Brühe.

    Ihr seid offensichtlich auf den rechten Wegh zurückgekommen nach all den – schönen – Beilagen.

  2. @fressack: Zwiebelschalen brauch ich nur um Ostereier zu färben. Der Geschmack von Zwiebelschalensud ist furchtbar und entwertet jede Brühe. Halbierte Tomaten wirken ein wenig als Klärmittel, geben aber keine Farbe ab. Ich bleibe bei meinem Farbstoff Marke Liebig’s Fleischextrakt. Jetzt wo ich doch wieder auf den rechten Weg zurückgefunden habe, willst Du mich wieder zu vegetarischen Zugaben verführen ? 🙂

  3. Nein, ich weise vegetarischen Produkten nur ihren gebührenden Platz zu: als Beilage oder Bestandteil eines grossen Ganzen.
    Schade, dass es keine netzinternen Geschmacksvergleiche gibt, bezeichne ich doch meine Fleischbrühe als die weltbeste.
    Das klingt unbescheiden, aber ich lüge nicht gerne.
    Oft sind aber meine Brühen das Sammelbecken für drei Tage Küchenabschnitte.

  4. Von den Zwiebel kann ich auch nur abraten: Verbrannte Zwiebeln schmecken nur verbrannt. Außerdem ist die Farbe der Brühe unwichtig, solange sie gut schmeckt. Ich horte im Tiefkühler Wachtelkarkassen, Hühnerflügel, unansehnliche Rindsabschnitte etc., die gebe ich gern als „anonyme Teilhaber“ in solche Suppen.

  5. Kaisersemmeln und Kaiserschmarren werden rund um die kulinarische Legendenbildung dem Kaiser Franz Joseph zugeführt, vielmehr war der Kaiser allerdings ein Rindfleischtiger. So findet man in der Servierkunde für 1912 folgenden Hinweis: „Nie fehlt an der Privattafel Sr. Majestät ein gutes Stück gesotten Rindfleisches, das zu seinen Lieblingsgerichten zählt.

    Die Beigaben (Gewürze, Suppengemüse) der Suppe des Wiener Tafelspitzes verbeiße ich mir, weil anscheinend jeder die Suppe anders zubereitet.

    Eines muss ich anmerken: Hast du das Fleisch irrtümlicher Weise mit der Faser geschnitten? So sieht es mir am Foto leider aus und das wäre ein Drama – immer gegen die Faser schneiden.

    Plachutta (Hietzinger Bräu) lässt die Knochen sehr stark anrösten und fügt der Suppe einen Markknochen bei. Das Mark wird dann auf einem gerösteten Stück Schwarzbrot, ein wenig gesalzen, verzehrt.

    k.u.k Gruß
    LillY

  6. @duni:
    Die Farbe der Suppe ist alles andere als unwichtig. Eine Regel besagt: Helle Suppe – dunkle Einlage (Leberknödel), dunkle Suppe – helle Einlage (Grießnockerl).

    Die Suppe bekommt ihre Farbe wie sehr du die Knochen anröstest. Der Zwiebel wird nie angeröstet und wird samt Schale mitgekocht.

    @fresssack: Statt Fleischextrakt einfach Liebstöckl mitkochen.

  7. @LillY: Mein Malheur mit dem Anschneiden hab ich im ersten Abschnitt des Beitrags bereits gebeichtet. Das Markbein haben wir genauso gegessen und was Sr. Majestät schmeckte wird uns künftighin öfters munden. Soeben hab ich noch eine Tabelle gefunden, welche die wienerischen Fleischbezeichnungen in schweizerische Namen übersetzt.

  8. Hab ich überlesen mit der Faser. 😮

    Ich müsste einmal in meinen Kochbüchern kramen, ob da nicht eine Abbildung eines Rindes mit den Fleischstücken zu finden ist …

    Interessant, dass die Schweizer die Viecher anders zerschneiden. Von den Amerikanern wusste ich es. Ob das in Deutschland noch einmal ein bisschen anders gemacht wird?

  9. Ist abgespeichert und wird bei der nächsten tour de suppenfleisch ausprobiert. Bin echt neugierig da die Vorgehensweise allem widerspricht was ich über die Zubereitung von Meerrettich weiss. Und dann wird es sich auch zeigen ob meine letzte Neuerwerbung http://www.swissmade.com/en/web/index.php?id=989&s=_zyliss_-_gourmet_mandolin einen Meerrettich Julienne schneiden kann oder ob Handarbeit (oh weh, mir tränen jetzt schon die Augen) angesagt ist. Situationsbericht folgt.

    1. Swissmade ist gut. Die lassen alles in China machen 😦
      Ich hab sie mit einem ähnlichen Gerät (GSD) in etwa 2 mm Scheiben geschnitten, dann von Hand zu Julienne. Du wirst nicht enttäuscht werden. Das ist ein Hammerrezept.

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