Tuorta da nusch engiadinaisa

Tuorta da nusch
Engadiner Nusstorte. Mein Beitrag zum Walnuss-Event des Kochtopfs, diesmal von Genussmousse betreut. Die „Tuorta da nusch“ ist das bekannteste Exportprodukt der Engadiner Konditoreien. Sie führt die lange Zuckerbäckertradition des Engadins weiter. Die Torte wird heute überall in Graubünden angeboten. Selbst im heute italienischen Veltlin ist die crostata alle noci eine gern gebackene Torte. Torten kennen offenbar keine Grenzen. In meinen Ferien hatte ich Gelegenheit, Nusstorten der Bäckereien Peder Benderer (Sent), Cantieni (Scuol), Kochendörfer (Pontresina) und Hanselmann (St. Moritz) zu probieren. Ich habe zuhause die mir zugänglichen Rezepte in Büchern der Bündner Landfrauen, Marianne Kaltenbach, von Veltliner Köchen bis zum Spitzenkoch Roland Jöhri verglichen und keine dramatischen Rezeptur-unterschiede gefunden. Daraus habe ich mir mein eigenes Rezept destilliert, den Zuckergehalt reduziert, den Honiggehalt etwas erhöht und auf meine 18-Springform berechnet: meine Bündner Nusstorte. Sie hält mit den gekauften locker mit, und das ohne Margarine und Glukose. Für 2 Personen, die Süsses nicht besonders mögen.

Tuorta da nusch

Seit den Bündnisverträgen aus dem 17. und 18. Jhdt. mit der Republik Venedig genossen die Bündner in der Lagunenstadt grosse Privilegien. So waren Anfangs des 18. Jhdt. von 104 Zuckerbäckerläden 95 in Händen von Bündnern. 1762 kam es zum Bruch mit Venedig, 1766 vertrieb die damals blühende Adriastadt die Bündner Gewerbetreibenden. Sie zerstreuten sich in die naheliegenden Zentren Triest, Fiume, Laibach und Ragusa, später über ganz Italien, Europa, sogar bis nach St. Petersburg. Noch heute zeugt manches Caffè Svizzero von der Emigration der Südbündner. Einige, die im Ausland wohlhabend geworden sind, haben sich für ihre alten Tage komfortable Ruhesitze in der Heimat geschaffen. Palazzi und Häuser, die noch heute vom Reichtum ihrer Erbauer erzählen.

[Neufassung 3. Okt. 2013: Wiederentdeckten Quellen zufolge, war das Rezept schon etwa um 1900 herum in der Familie Moggi-Tester in Samedan bekannt. Später wurde die Engadiner Nusstorte von ausgewanderten Familienmitgliedern in Toulouse hergestellt und in ganz Frankreich vertrieben. In dieser Konditorei arbeitete Fausto Pult als Geselle, der, nach seiner Rückkehr nach Samedan, die Engadiner Nusstorte unter dem Namen «Pulttorte» in der ganzen Schweiz bekannt machte. Damit war er derart erfolgreich, dass er Jahrzehnte als „Erfinder“ der Torte galt].

Typisch am Rezept der Nusstorte ist die Verwendung einheimisch verfügbarer Zutaten. Kein Zimt, keine Datteln, keine Zitronen. Nur die Baumnuss und das Mehl kommt aus tiefern Lagen (abgesehen vom heute verwendeten Zucker).

Zutaten
für den Mürbteig:
250 g Weissmehl
100 g Butter
80 g Zucker
1 grosses Ei, wenig Eiweiss zum Kleben zurückbehalten
Salz

für die Füllung:
130 g Zucker
130 g Baumnüsse sehr grob gehackt
30 g Honig (Waldhonig)
1 dl Rahm
Wasser
2 Elf. Johannisbeergelee (fakultativ)

Zubereitung
(1) Gesiebtes Mehl, Salz und den Zucker in eine vorgekühlte Teigschüssel des Rührwerks geben. Kalte Butter in Flöckchen unter das Mehl mischen und mit dem K-Haken zunächst langsam, dann schnell zu einer krümeligen Masse verrühren. Das verquirlte Ei zugeben, möglichst kurz weiterrühren bis der Teig klumpt. Von Hand rasch zu einer Kugel formen und in eine Folie eingewickelt eine Stunde in den Kühlschrank stellen. 1/2 Stunde vor Gebrauch herausnehmen.
(2) 130 g Zucker in einen Topf geben, etwa 20 ml Wasser hinzugeben (Zucker soll befeuchtet sein) und bei voller Hitze das Wasser auskochen, dann schön braun (aber nicht zu dunkel) caramelisieren. Rechtzeitig vom Feuer ziehen, die Baumnusskerne zugeben und 2-3 Minuten mitrösten, mit 1-2 Elf. Wasser ablöschen (es zischt gewaltig), dann den Rahm und den Honig zugeben und solange auf mildem Feuer verrühren, bis sich alles vermischt hat. Etwas, aber nicht ganz erkalten lassen.

Zucker caramelisieren ohne hard-core Teigboden und -wand einrollen

(3) Den Teig an Raumtemperatur angleichen und zwei Drittel davon ca. 3-5 mm dick auswallen. In die ausgebutterte, oder mit Backpapier belegte Springform legen, dabei einen Rand von ca. 4-5 cm Höhe formen.
(4) Den Teigboden mit dem Johannisbeergelee bestreichen, dann die noch leicht warme Nuss-Caramel-Honig-masse gleichmässig und satt auf den Tortenboden verteilen. Den obersten Saum des Teigrands über die Füllung klappen. Diesen Saum mit etwas zurückbehaltenem Eiweiß einpinseln.
(5) Aus dem Rest des Teiges den Deckel ausrollen, Auf den umgeklappten Rand auflegen, mit einer Gabel rundum andrücken und mehrfach einstechen.
(6) Im vorgeheizten Backofen zunächst 10 Minuten bei 220°C, dann 30-40 Minuten bei 180°C fertigbacken. Die Torte darf nicht dunkel werden, deshalb wird sie auch nicht mit Eigelb eingestrichen !

Einfüllen der Nuss-Caramel-Honigmasse Bündner Kreuzstickerei von Frau L.

Anmerkung
Wer den Zucker lieber direkt und trocken nach dem hard-core-verfahren caramelisiert (wie z.B. Frau L.) darf das weiterhin tun. Nach meiner Meinung verhilft der Wasserzusatz weniger Geübten zu einem gleichmässig perfekten Caramel. Der Mürbteig kann ebensogut gerührt werden: zimmerwarme Zutaten in die Rührschüssel und los von Rom. Ist die Füllung zu zäh, kann sie durch Zusatz von Honig und Erwärmen etwas viskoser gemacht werden. Ist sie etwas zu dünn geraten, mit 1-2 Elf.  Nusspulver andicken. Die Idee mit dem Auspinseln mit Johannisbeergelee kommt von Marianne Kaltenbach. Der Teig kann auch mit etwas Zitronenabrieb versetzt werden (Roland Jöhri). Die Torte sollte mindestens 2 Tage durchziehen (kühl stellen).

Die schöne Bündnerstickerei stammt übrigens von Frau L. Seit ich so viel koche, hat Sie sich in die Kreuzstickerei vertieft. Der Unterschied zwischen Bastelstickerei und perfekter Kreuzstickerei besteht darin, dass die Hinterseite genau so schön sein muss wie die Vorderseite der Stickerei. Das verlangt Einiges an Vorausdenken. Fast wie wie beim Schachspiel.

36 Kommentare zu „Tuorta da nusch engiadinaisa“

  1. Lecker lecker!!!!!
    Auch gut, dass Du nicht eine 1 kg Zucker und Honig Variante genommne hast! Scheint richtig ausgewogen zu sein!!!
    Und zu Kulinaria, ja!

  2. @petra: meine Füllung ist fast zu üppig geworden. Gemacht hab ich sie mit 150g Zucker und 150g Baumnuss. Im Rezept hab ich das etwas reduziert. Die gekauften Nusstorten waren allesamt dünner.

    @kulinaria:
    @bolli:

    her mit Euren Rezepten !

  3. @Ulrike: danke für den Hinweis, ich kannte den Film nicht (komme kaum mehr zum Fernsehen), hab aber Benderers Torte gegessen. Benderers Füllung war die Beste aller probierten Tortenfüllungen. Jetzt wo ich das Rezept sehe, ist auch klar warum: er nimmt noch mehr Honig als ich.

  4. Toll, auf das Rezept habe ich gewartet, seit das Thema Walnuss für den Koch-Event rauskam – das ist einer der absoluten Klassiker und er muss natürlich aus der Schweiz kommen. Schön! 🙂

    Das Rezept klingt alltagstauglich und ist mit den Zwischenfotos schön nachvollziehbar. Mit dem vielen Honig und der dicken Füllung (das muss so sein ;-)) schmeckt es mir glaube ich auch besser als andere Versionen – es kommt auf meine (immer länger werdende…) Nachbackliste. Danke!!!

  5. Die Torte sieht wunderbar aus!
    Ich gehöre übrigens ebenfalls zur Fraktion der Karamellisierer, die etwas Wasser zum Zucker geben. Mir geht das sonst alles zu schnell. Mit dem Wasser bleiben mir ein paar Sekunden mehr zum Reagieren 😉

  6. @zorra: via Deinen link bin ich eben auf Magenbrot gestossen. Mag ich noch lieber als Nusstorte.
    @Barbara: geht mir auch so, die Nachkochliste hat sich längst meiner Kontrolle entzogen.
    @Claudia: 🙂

  7. Une de mes préférées. Tu l’as vraiment bien réussie. Je n’ai encore pas osé me lancer. J’en achète chez mon boulanger….. 😉
    Bien à toi
    verO

  8. @traveldude: das schweizerische Weissmehl entspricht der 405-type. Backpulver auch unnötig. Ist aber vermutlich nicht so wichtig hier.

    @Lien: Danke

  9. Wunderschön! Wow, you did a great job here! I’ve always wanted to make this gorgeous tart (one of my favorite)… Now I have a good recipe I can try!

    Cheers,

    Rosa

  10. io adoro questa torta. Potreste tradurmi la ricetta?
    Proverei a farla a Venezia e così mi ricorderei ancora
    della bella estate in Valposchiavo. Grazie !!!!!
    Daniela

  11. this looks good with walnuts. I may use pecan i have at freezer. It is good to find this weblog even i forgot german language!!!
    Danke shen??
    from Japan

  12. Vielen lieben Dank für dieses wunderbare Rezept!
    Meine Torte ist zwar etwas flacher geraten da ich einen Form mit 21 cm Durchmesser nahm, aber geschmacklich war sie perfekt!

  13. Hallo @lamiacucina könnest Du das Rezept der Engadiner Nusstorte nicht auch als Video festhalten auf TouTube?

    1. leider nein, dafür fehlt mir die Zeit und eine Video-ausrüstung. Meine wenigen, bisherigen Filmchen bestehen nur aus einer Sequenz, aufgenommen mit einem billigen Kompaktfotoapparat.

  14. Also, erst mal vielen Dank für die Anregungen und Rezepte im Blog!
    Kurze Frage: ich überlege, zu Weihnachten die gesamte Verwandtschaft mit kleinen Engadiner Nußtörtchen zu beglücken, aus der Überlegung heraus, dass die Torte eine Weile halten müsste. Richtig überlegt? Wie lange könnte man die denn aufheben, bevor sie beginnt zu schwächeln?

  15. lamiacucina, ich zieh mal ein Fazit, mit Wasser in den Mürbeteig geben ist ein guter Trick eines Hilfsmittel für Anfänger. Ich hab mir zwar etwas mehr Arbeit gemacht schon mal auf 200 g. Baumnüsse aufgerundet, zusätzlich hab ich die Nüsse mit dem Mixer fein gemahlen, dabei bin ich zwar immer wieder harr scharf an einen Motorschaden knapp vorbei geschrammt mit dem Mixer, musste darum 20 Kurze Pausen einlegen, dann den Mixer erst mal befreien von den Nüssen dann ging es wieder weiter mit dem Mixen. Für den Zucker, nahm ich immer den Braunen Kristall Zucker nicht den normalen weissen Kristall Zucker, Den selber gemachten Mürbeteig habe ich nur den Boden verwendet Durchmesser 25 cm. Denn Rand 5 cm Hoch, Deckel mit fertig Mürbeteig zusätzlich ergänzt mit 320 g. und das mit dem Eigelb auf dem Deckel zu bestreichen hab ich bewusst nicht verzichtet. Da ich bewusst eine Braun gebrannte Engadiner Nusstorte wollte, nach meinen Vorstellungen. Ist jetzt ist das meine Achte Torte, Lecker wahren bis jetzt alle gab mir zu verstehen so fern man Liebt auch wirklich süsses.

  16. Lieber Robert, eine herrliche Torte um nach überstandener Grippe wieder zu Kräften zu kommen! Die Füllung schmeckt grandios, hab den (Vollrohr-)Zucker nochmals etwas reduziert und um ein Viertel weniger Teig verwendet. Gruß aus Innsbruck – Daniela

    1. nach überstandener Grippe wäre bei mir allenfalls ein frisch gepresster Orangensaft auf den Tisch gekommen, aber eine Nusstorte schmeckt auch unter dem goldenen Dachl gut. Stimmt. Die Teigmenge war reichlich bemessen.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.