Ricciarelli di Siena 1879

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Für die Einwohner von Siena ist Weihnachten ohne Ricciarelli di Siena undenkbar. Durch den Tourismus hat sich der Absatz der Ricciarelli auf die übrigen Monate des Jahres ausgeweitet, dadurch ist aber der Bezug des Gebäckes zu kirchlichen Festtagen etwas verlorengegangen. Früher wurde die Ricciarelli in Klöstern und Gewürzhandlungen hergestellt, den einzigen Orten, in denen die benötigten Gewürze und Aromen zur Würzung und Konservierung von Speisen verfügbar waren.

Die erste besondere Erwähnung des Ausdrucks Ricciarello findet sich in einem langen Verzeichnis toskanischer Süßwaren, das in dem 1814 in Livorno gedruckten Ditirambo di S.B. in onore del Caffèe dello Zucchero veröffentlicht wurde.
Im Jahre 1891 erschien die erste Ausgabe des Standardwerks der italienischen Kochkunst La scienza in cucina e l’arte di mangiar bene (Von der Wissenschaft des Kochens und der Kunst des Genießens) von Pellegrino Artusi, das erste Beispiel eines Kochbuchs mit Rezepten aus ganz Italien. Darin ist unter der Nr. 629 die  Herstellung der Ricciarelli beschrieben. Die in dem Rezept angegebenen Zutaten sind die noch heute üblichen: feiner weißer Zucker, Süß- und Bittermandeln, Eiweiß, Orangenschalenaroma. (Aus Entwurf der EG-Verordnung Nr. 510/2006 des Rates zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel).

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Das Rezept, das ich bei Anice&Canella  gefunden habe, ist noch etwas älter, es stammt aus einem bekannten sienesischen Kloster, aufgeführt in einem Buch des italienischen Schriftstellers Giovanni Righi Parenti, Dolcezze di Toscana. Gemäss Paoletta: C’è da dire che il giorno dopo cotti, sono qualcosa di paradisiaco! Am Tage nach dem Backen sind sie so etwas wie das Paradies !  Die modernere Version gibts bei kuechengefluester.

Zutaten
für 500 g Ricciarelli

150 g Zucker
200 g Mandeln, geschält, 10′ im Ofen bei 50°C getrocknet
25 g Mehl
Abrieb von 2 Bioorangen
ein paar Tropfen Bittermandelaroma oder 10% der Mandeln durch Bittermandeln ersetzen

10 g Zucker
10 g Mehl
3 g Hirschhornsalz
3 g Backpulver

24 g Zucker
7 g Wasser

10 g Vanillezucker
1 Eiweiss mittel bis gross

Vanillezucker selbstgemacht
Weizen- oder Maisstärke

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Zubereitung
(1) Mandeln in der Mühle sehr fein mahlen, mit dem Zucker, dem Orangeat, Mehl sowie dem Mandelaroma portionsweise in einen Cutter geben und intervallweise (damit kein Mandelöl austritt) zerkleinern. Gut mischen.
(2) aus Zucker und Wasser einen Sirup kochen.
(3) Mehl mit dem Zucker und den Backtriebmitteln mischen und unter die Mandeln mischen, Sirup langsam hinzumischen. Das Resultat ist ein bröseliger, kaum kompakter Teig.
(4) Rührschüssel mit feuchtem Tuch abdecken und ca. 12 Stunden ruhen lassen.
(5) Eiweiss mit dem portionsweise zugegebenem Vanille-Zucker zu Schnee schlagen, sofort mit einer Teigkarte in den geruhten Teig einarbeiten bis der Teig kompakt und verarbeitbar ist. Ich musste noch 1/4 Eiweiss mehr zugeben.
(6) Den Teig zwischen zwei Backtrennfolien 1 cm dick auswallen. Rhomben ausstechen. Die einzelnen Ricciarelli dick mit feinem Vanillezucker bestäuben.
(7) Jede Scheibe auf ein mit Backpapier belegtes Backblech legen. 30 Minuten kalt stellen.
(8) Backen im vorgeheizten Ofen bei ca. 170 ° während ca. 15 Minuten, die Ricciarelli müssen möglichst hell bleiben und weich und dürfen an der Oberfläche Risse aufweisen.

Aufbewahren in einer dichtschliessenden Dose. Die Ricciarelli sind beinahe so süss wie die italienische Sängerin Katia Ricciarelli, eine leider rasch verblühte „soave fanciulla“ am Musikhimmel, hier in einem Mitschnitt der Lucia di Lammermoor aus Bregenz (1982)

Wie jedes Jahr haben wir auch heuer unsere altbewährten, traditionellen Weihnachtsguetzli gebacken: Daran vermag keine Kreativabteilung einer Kochzeitschrift etwas zu ändern.

Bild anklicken führt zum Rezept

Sultaninenplätzchen und ne Buddel voll Rhum
Rosinenplätzchen... und ne Buddel voll Rum
Quittenpaste
Quittenpaste, streng nach Reinheitsgebot
Panforte Sienese
Panforte Sienese
Weisse Pfefferkuchen
Weisse Pfefferkuchen
Nürnberger Lebkuchen
Nürnberger Lebkuchen
Badener Chräbeli
Badener Chräbeli
Basler Brunsli oder: Don't call me Brownie
Basler Brunsli
Vanillebrezel
Vanillebrezel
Berner Haselnussleckerli
Berner Haselnussleckerli
Basler Leckerli, unecht
Basler Leckerli, unecht
Sterne, aus Zimt welche
Sterne, aus Zimt welche
Mailänderli
Mailänderli
Baumnussbrötchen
Baumnussbrötchen

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47 Kommentare zu „Ricciarelli di Siena 1879“

  1. Ich gang abe! Die Gutzli sehn jetzt sooo ebbis vo fein us und di Bricht iiber d’Härkunft vo däm Gebägg isch dermase guet rechechiert, dass i nit drum ume kum mi au emol dra z’wooge.
    Und sogar mit laufender Puderzuckerbeschneiig, fascht scho e Wiehnachtsgschichtli für sich. Mi Komplimänt und Danggscheen fir die feini Idee!

  2. Vor 10 Tagen noch war ich in Siena – eine wundervolle Stadt. Vielen Dank für das Rezept (und all‘ die anderen Rezepte auch) Eine sehr eindrucksvolle Weihnachtsbäckerei habt ihr da.

  3. Oh, wow, das sieht auch paradiesisch aus… eine Köstlichkeit, die ich gern probieren möchte 🙂 mhm…
    Liebste Montagmorgengrüße zu dir, Elisabeth

  4. Ihr seid wirklich fleißig – ich backe ja immer keine Gutsle… (so heißen sie in meiner Muttersprache).

    Die Ricciarelli sehen wunderbar aus, wie gemalt. Die Geschichte dahinter kannte ich auch nicht. Ein wunderbarer Beitrag wieder, Robert.

  5. So viele Plätzle – wer ißt denn die alle?
    Bei uns gibts nur eine Sorte – Butterplätzle oder Mailänderli – mehr nicht.

  6. Ein Kunstwerk sind diese Ricciarelli auf geklöppelter Decke (made by Frau L.?).Und dann diese entzückende Schale mit den Täubchen! Ich bin begeistert von diesen Bildern.

  7. Die Ricciarelli sehen ja unglaublich schön und zart aus und dazu paßt die elegante kunstgestrickte Decke einmalig gut; zwei Meisterwerke. Zum Vergleich habe ich mir auch die moderne Version angesehen/durchgelesen, würde aber das „alte“ Rezept vorziehen. Danke auch für die Hintergrundinfo und die Erinnerung an Siena, die traumhaft schöne Stadt.
    Euere Plätzchenpalette ist wirklich eindrucksvoll, da komme ich nicht mit :-). Aber es gibt auch dieses Jahr wieder Kleinmengen von einigen Euerer wunderbaren Guetzli von Frau Curtius.

  8. Das Wissen um die religiöse Bedeutung von Speisen geht leider immer mehr verloren und wird selten in Kochbüchern weiter gereicht. Zum Glück gibt es Blogs wie Deinen!

    …und nun hole ich mir schnell noch einen Keks, meine sehen zwar nicht so gut aus, aber Deine Bilder sind einfach zu appetitanregend!

  9. So unscheinbar, so exquisit. Ein köstliches Pianissimo, von dem man dann nicht genug bekommt. Passt zu La Ricciarelli.

  10. Noch eine Frage: Ich habe nachgelesen, dass Hirschhornsalz in ein wenig Flüssigkeit aufgelöst werden soll, damit es sich besser im Teig vermischt. Ich muss gestehen, ich habe damit noch nie gearbeitet. Es setzt beim Backen Ammoniak aus. Das stinkt doch. 😦

  11. @Basler Dybli: Bliib numme doobe ! Das alles z’ässe bruucht gueten Appetit.

    @Rosa: ist sonst nicht meine Domäne.

    @mestolo: an der Piazza del Campo gibt es sie auch zu kaufen.

    @Bolli’s Kitchen: tapfer sein, dafür alle aufs Mal.

    @Elisabeth: und noch ein Kerzlein mehr heute Morgen !

    @sammelhamster:

    @Barbara: wir machen jedes Jahr 12 Sorten. Eine neue ersetzt eine bisherige. Dieses Jahr haben wir die Quittenpaste weggelassen.

    @Nathalie: wir sind ja auch nicht süss. Ein wenig naschen, der Rest wird an feste Abnehmer verschenkt.

    @Isi: es macht mehr Spass, sich einmal durchs ganze Sortiment zu essen.

    @Buchfink: das Deckchen ist vermutlich made in Asia. Die Marmorschale mit den Tauben von einem italienischen Flohmarkt.

    @Charlotte: es hat mir gefallen, die altmodigen Guetzli mit altmodigem Plunder zu dekorieren 🙂

    @Susa: schon die zweite Quelle der Inspiration, die ich dem europäischen Amtsblatt entnehmen durfte.

    @zorra: Du hast ja noch über 2 Wochen Zeit !

    @bee: ich finde die Ricciarelli süss 🙂

    @entegut: oh nein, mit den vielen Mandeln und wenig Mehl sind sie weich. Hirschhornsalz zersetzt sich beim Backen (teilweise schon vorher) in Kohlendioxid und Ammoniak. Deshalb ist es als Backtriebmittel nur für flache Gebäcke geeignet. Ammoniak ist sehr flüchtig, davon merkst Du nix mehr. Ammoniumhydrogencarbonat ist gut wasserlöslich. Zudem wird der Teig 12 Stunden stehen gelassen, dabei geht ein Teil der Triebfähigkeit verloren.

  12. Ich bin leider schon optisch von den vielen Weihnachtskeksen in allen Foodblogs übersättigt – Leute bitte kocht wieder mal was herzhaftes für die Keksverweigerer! Die Ricciarelle gefallen mir aber im Prinzip sehr, ich werde sie mal während des Jahres machen. Und ich finde es nett, dass du uns die noch nicht verblühte Katia präsentierst – eine Freude!

  13. Die Ricciarelli habe ich in Varese einmal zufällig probiert, die waren so fein und zart (und teuer), tagelang gingen sie mir nicht mehr aus dem Sinn. Die würde ich sehr gerne ausprobieren, auch sind sie wunderbar für ein Gastgeschenk geeignet … nur wie ohne Mühle, Cutter herzustellen?
    Dein Beitrag ist wieder einmal für alle Sinne … so lieblich und märchenhaft – ein Kleinod!

  14. Ich habe oben zu lesen begonnen und die Täubchen gesehen und dachte sofort an Katia und prompt lieferst Du unten das fabelhafte Video dazu … ausgezeichnet, danke.

    Wo ist sie eigentlich hin verschwunden? habe schon lange nichts mehr von ihr gehört …

  15. @Claus: jeden Tag ein bis zwei Sorten seit 1. Dezember.

    @Eline: Weinachten ist Guetzlizeit. Demnächst gibts wieder Saures 🙂

    @Christine: keine Hand-Mühle, kein Cutter ? Das wird schwierig. Die Mandeln müssen fein gemahlen sein, sonst wird das Ganze bröselig.

    @Rufus: Sie lebt auf ihrem Landsitz in der Nähe von Spoleto. Singt nimmer.

  16. Bei dir gibt es ja ein größere Auswahl als auf dem Weihnachstmarkt! Es sind ganz tolle Rezepte, da ist für jeden etwas dabei. Und die Ricciarelli muss ich auch unbedingt mal selber machen

  17. @nina: träume süss 🙂

    @Hannes: nicht zuviel vornehmen. Du übersprudelst sonst schon an Ideen.

    @Alex: bei der Vorlage von Paoletta !

    @kulinaria: die sind lebendig !

    @Elisabeth: nur nicht zuviel Licht, sonst sieht man, dass ich wieder mal staubsaugern sollte.

  18. bin platt…das ist zuviel für mich. bin grün vor neid. ich krieg das nie hin mit den plätzchen. sag mal: esst ihr die lle allein? was sagt die frau L. zu den ganzen kalorien?

  19. Die Marmorschale ist der Knaller, die hätte ich auch auf dem Trödel mitgenommen. Bin begeistert von den Backkünsten. Sieht alles prima aus. So ist das, man macht sich viel Arbeit und verschenkt das meiste. Aber es macht auch viel Freude und wenn man selber keine Kinder hat, finden sich zur Plätzchenzeit ganz von selber welche.

  20. @Poulette: Hab heut nachmittag mit Kindern zusammen Weihnachtskekse gebacken… und bin ganz erledigt.

    @Buntköchin: Das Deckchen liegt, wie soviel alter Plunder, seit 30 Jahren unbenutzt in der Schublade und hat sich gefreut, einmal aufs Foto zu kommen.

  21. Reblogged this on ChillendeSchiller und kommentierte:
    Die Weihnachtsbäckerei… voll im Gange.
    Dann mal los !!
    ° ☾ °☆  ¸. ● .  
    ★  ★ ° ☾ ☆ ¸. ¸  
    ★  :.  . • ○
    ° ★ 
    .  * .
    . ❤

    1. Ja, bei Lamiacuci gibt es immer wieder FEINE Dinge, die ich sehr zu schätzen weiß 😉

  22. Sieht sehr lecker aus, und werde ich die Tage bestimmt noch backen. Stimmen die Angaben für den Sirup ? Ist ja recht wenig und es
    bleibt doch evtl. ein viertel davon im Topf hängen….

  23. Als ich die Zutaten und Zubereitung der Ricciarellis las, dachte ich, neee…das kann nichts werden. Nie und nimmer. Der Zuckersirup ist doch viiiel zu wenig.
    Aber…wie man resp. Frau sich doch täuschen kann. Es entstanden köstliche Ricciarellis. Ich mag sie (wie jedes Güetzi) lieber etwas knuspriger. Die zweite Ladung (ich habe zum Glück die doppelte Menge zubereitet) wurde etwas stärker gebacken.

    Vielen Dank, dass wir an diesem tollen Rezept und dem einzigartigen Geschmackserlebnis teilhaben dürfen.

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