Ragout vom Wurzelgemüse

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In der Erde Tiefe tagen die Winterwurzeln.
Fiebern dem Tag entgegen, an dem sie der Landmann
mit schwerem Spaten mühevoll aus der Erde sticht.
Da liegen sie nun in geflochtenen Kratten und warten darauf,
dass sie der Meister auf loderndem Herde
in ein wonniges Wurzel-Ragout wandle.

Ich hätte Heimatdichter werden sollen. Eine Kratte mit winterlichem Wurzelgemüse vom Bauernmarkt will er, der Signore Claudio. Das möchte ich ja auch. Als Städter bleibt mir leider nur der wehmutsvolle Gang ins Warenhaus um die Ecke. Hier eine Handvoll Topinambour, da drei Stück Karotten von unterschiedlicher Farbe, dort fünf Ratte-Kartöffelchen, eine kleine gelbe Rande, eine Herbstrübe, eine Pastinake und eine Petersilienwurzel, alles getrennt in Plastikbeuteln eingepackt, verknotet und mit Beleg gewogen, damit die Registrierkasse nur registrieren statt studieren muss.

Dann wollen wir mal wieder: Nachkochen, alles nach Meister Claudio.

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Damenteller

(1) Die Winterwurzeln schälen, grob schneiden und in 2 dl Wasser auf dem Dampfsieb dämpfen. Die harten Gemüse zuerst, die schnell garenden danach. Bevor der Topf trocken läuft, Wasser nachgiessen. Was gar ist, wird herausgehoben, kalt abgeschreckt und beiseitegestellt. Die gelbe Rande war eine gute Ergänzung, weshalb ich ausgerechnet eine violett-färbende Karotte mitlaufen lassen wollte, ist mir Wurzeldepp nicht mehr klar.
(2) Verbleibenden Sud einkochen mit einem Stück Sellerie, einer Scheibe Zwiebel, einem kleinen Lorbeerblatt, einem Zweiglein Thymian sowie ein paar Pfefferkörnern. Hausgemachte Geflügelbrühe dazugeben und nochmals     stark einkochen. Absieben. Das gibt einen wunderbaren, wurzelsüssen Wurzelfond.
(3) Dann sind die getrockneten Zwiebeln an der Reihe; ich hätte besser mit den Zwiebeln begonnen:
Gleichmässig geschnittene Zwiebelstreifen langsam in Butter glasieren. Leicht salzen. Wenn sie weich und saftig sind, mit wenig Mehl bestäuben und sanft Farbe nehmen lassen. Auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech kippen, locker verteilen und bei 80 Grad (Umluft) trocknen, bis sie hörbar rascheln, wenn man sie bewegt. Dazu die Musik etwas leiser stellen, damit man das Rascheln auch hört.

Weil das Trocknen eine Ewigkeit dauerte, die Wurst (*) begann sich schon zu bräunen, musste ich den Höllenhund von Ofen kurzerhand auf infernalische Hitze (140 Grad) stellen und wurde mit zwar etwas dunkelbraunen, aber sehr knusprigen und kräftig raschelnden Zwiebeln belohnt 😉

(4) Wurzelgemüse kurz mit gesalzener Butter in einer Pfanne schwenken, mit einem Schuss Weisswein ablöschen. Wurzelragout in tiefen Tellern anrichten. Die Weissweinreduktion zum Gemüsefond geben. Fond mit Rahm und Butter binden, mit dem Zauberstab aufschäumen.

(5) Wurzelragout mit dem aufgeschäumten Sud übergiessen, getrocknete Zwiebeln darüber geben.

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Herrenteller mit Wurst

(*) Von dem am Wochenende besuchten Wurstkurs bei Lucas Rosenblatt hatte ich u.a. schwer getrüffelte Kalbs-Schweins-Würste mit nach Hause gebracht. Die hab ich in Butter/Olivenöl langsam angebraten und dazu serviert. Schwarze Trüffel sind auch Winterknollen !

Und nun rufe ich mit Claudio im Chor aus: Was, bitte, gibt es am Winter und seinen Wonnen nicht zu mögen ?

31 Kommentare zu „Ragout vom Wurzelgemüse“

  1. Gemüse und Wurscht. Für mich ein zünftiges Mahl, aber eine Wonne??? Wonne = ein paar Strahlen Sonne, ein Stück feinste Torte, Meeresrauschen, zartes Grün! Naja, ich nehm‘ dann trotzdem mal auch den Herrenteller und warte weiter, dass der Winter abhaut! 😉

  2. Herrlich humoresk, lieber Robert. So erlesen lässt sich der Tag wundervoll starten, vielen Dank und liebe Grüsse!

  3. Der konsequent rote Faden durch dieses Mahl beeindruckt mich sehr 😉 Bei uns wäre die Verteilung auch ungefähr so…. aber auf meinem Teller läge eine und auf dem Teller meines Bauern zwei Würste!

  4. Ihr Basler 🙂 sieht auch herrlich bei dir aus Robert. Hab den Wurzelgemüse Herren eine Stepviste beschert 😉 um 6 stand ich vor dem Basler Flughafen…. So wäre dieser Ragout zum Mittagessen perfekt, danach eine Mütze Schlaf. Grüessli irene

  5. So wunderschön sie roh aussieht, die Urkarotte „Purple Haze“, so habe ich leider auch schon erfahren müssen, dass sie nach dem Kochen alles andere gräulich-violett verfärbt hat. Aber Diven brauchen ja schon immmer Sonderbehandlung.

  6. Das Gemüse ist schön, gewiss, aber die Wurst! Wie die wohl geschmeckt hat? Ein Wurstkurs…ob es sowas auch in Hamburg gibt? Wäre doch schön, selber entscheiden zu können, was verwurstet wird 😉
    Und: „Dazu die Musik etwas leiser stellen, damit man das Rascheln auch hört.“ 😀

  7. Einfach Super! Ich mag Pastinaken sehr, es gibt ja keine Karotten mehr, die ähnlich gut und intensiv riechen! Leider bin ich aber grad auf Diät gesetzt und muss mich an meine Menue’s halten….

  8. Wurzeln und Knollen sind die Freuden und Wonnen des Winters. Und das war’s für mich dann auch schon mit dem Erfreulichen am Winter…

  9. Heimatdichtender, musisch begabter und Winter liebender Koch = du bist und bleibst einsame Spitze!, denn du bringst mich am frühen Morgen schon wieder zum Schmunzeln! 🙂

  10. @Die Küchenschabe: gerne !

    @Sugarprincess Yushka: Meeresrauschen ? Ich lausche eben dem Abtröpfeln des Schnees vom Dach. Tropf…tropf..tropf. Gibt doch nichts Schöneres 😉

    @Claudio: Dir koche ich immer gerne nach !

    @Brigitte: wenn man die Wurst selber gemacht hat, gibt es kaum etwas Besseres !

    @Irene: um 6 Uhr schläft der Basler Flughafen noch tief. Bevor der erste Hahn hinter dem nächsten Elsässer Miststock kräht, dürfen hier keine fremden Vögel landen 😉

    @Überall & Nirgendwo: In Sachen Kindererziehung habe ich keine Erfahrung !

    @Buchfink: hätte ich ja wissen müssen.

    @evazins: die getrockneten Zwiebeln sind wirklich toll ! Jede Bratwurst muss sich bei mir künftig welche gefallen lassen. Mit Selberwursten hast Du es in der Hand, was reinkommt. Und das schmeckt man.

    @Rosa Mayland: i am still waiting to read about your self-made sausage !

    @magentratzerl: wenn das Wetter grau ist, muss man zum Farbpinsel greifen.

    @Stephan: ich wollte und sollte auch Diät halten, was aber mit einem food-Blog einfach nicht geht.

    @Wilde Henne: Kälte kann man viel besser ertragen als Hitze. Aber Andere mögen das anders sehen.

    @Eva: noch lieber würde ich Dich zum Lachen bringen, aber dazu fehlt es mir an Humor.

    @Franka: fällt mir gerade eine selbst erlebte Anekdote ein, in einem guten Gasthaus in Weikersheim war am Nebentisch eine nette Familie mit der Auswahl der Gerichte beschäftigt. Der Kellner kam, die Kinder durften ihre Wünsche äussern. Einer der Knirpse sagte mit voller Stimme: „ich nehme den Seniorenteller“.

    @bee: jaja, ein wenig Peter Rosegger, der Rest Richard Wagner.

  11. Welch Harmonie unter den Gemüsen, selbst im rohen Zustand. Oder wie könnte man sich ansonsten die liebevolle Umarmung der Pastinake um die Topinambur erklärem?

  12. huch was war den nun das? Sorry falscher Benutzername und hier unter dem richtigen….

    Lieber Robert, die Baslernachtruhe soll auch geschützt werden 😉 ich habe Flugäste hingefahren, der Flieger startete erst nach 7 Uhr, bis dahin sollte auch der letzte Elsässer Miststockhahn gekräht haben, oder er tut es gar nicht mehr 😉
    E Guete Tag
    Irene

  13. Das ist wunderschön geworden! Sowohl das Gedicht als auch das Gericht ;-). Ich hatte das Gewurzel schon bei Claudia gesehen und bewundert, aber mit dem Trüffelwürstchen (dass das fein schmeckt, kann ich mir auch als Vegetarierin gut vorstellen, zumal selbst gewurstet) ist das ja gar nicht mehr zu fassen, was für Winterfreuden da auf dem Teller liegen. Und wieder so ein schönes Schäumchen dazu… Die Unbillen des Warenhaus-Einkaufs können Deiner Kunst offenbar nichts anhaben.

  14. spät aber von Herzen, liest sich locker und sieht lecker aus. für mich eindeutig den herrenteller!
    schön bist du nicht ganz weg …

  15. @the rufus: Aepfel und Birnen für Bäckchen und Nase sind im Arcimboldo-Ergänzungsbaukasten.erhältlich.

    @Suse: das kommt davon, wenn man als Pastinake nach Australien durchwachsen will 😉

    @Irene: so früh schon, vom Grenchen Airport wärs näher gewesen 🙂 Den Doppeleintrag hab ich gelöscht.

    @Le bonheur goûteux: ach, es gäbenoch soviel mit den Wurzeln zu machen, aber die Zeit rennt mir davon, Morgen ist ja schon wieder Frühling.

    @Kochfrau: Danke, ich nöckere noch ungefähr zweimal die Woche vor mich hin 😉

  16. Selber gewurstete Wurst…. wirds davon auch noch zu lesen geben? Das täte mich sehr interessieren, bin ja technisch gut ausgestattet und gekaufter Wurst stehe ich überwiegend ablehnend gegenüber. Und Raschelzwiebeln, fantastisch, da macht man doch am Besten gleich ein ganzes Blech voll…..

  17. @ninivepisces: vom neuen Wurstkurs werde ich nichts veröffentlichen, Sonst kann ich gleich wieder anfangen, täglich zu bloggen. Sieh mal bei den tags unter Wursten. Da ist noch der letzte Wurstkurs drin.

    @Bonjour Alsace: bist Du unter die Vegetarier gegangen ?

    @Basler Dybli: Danke, ganz vergessen. Noch 3 Jahre bis zum 10-Jährigen.

  18. Lieber Robert,
    ich konnte diesem herrlichen Winter-Gewurzel nicht widerstehen und habe daher abermals ein Gericht von Dir (ein bisschen verändert) nachgekocht und auf meinem zweiten Blog Food with a View veröffentllicht. Natürlich habe ich auf Dich (und auch auf Claudio) als Inspirations-Quellen verwiesen. Es war ganz toll, und ich danke Dir auch für diese wunderbare Anregung wieder sehr herzlich!
    Lieben Gruß, Claudia

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