CH-8840 Einsiedeln: Raben und Schafböcke

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Nach einem eher verregneten Herbst zwischendurch ein ungewöhnlich schöner Tag. Nun ist Einsiedeln ein Wallfahrtsort, der eigenartigerweise auf gastronomischen Reisekarten nicht mehr zu finden ist. Die Abtei ist aber mit ihrer gewaltigen Barockanlage auch ohne gastronomische Zerstreuungen eine Reise wert. Für Pilger wie für Touristen.

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Kaiser Otto der Grosse

Hätten die Limburger ihrem Fürstbischof Tebartz-van Elst ein paar Jährchen mehr Zeit und einige Milliönchen mehr Geld zugestanden, würde der fromme Mann mit seinem barocken Selbstverständnis den Limburger Bischofssitz gewiss zu einer mit Einsiedeln vergleichbaren Touristenattraktion umgebaut haben. Menschliche Ungeduld und Geiz haben das vereitelt. Nun muss halt die Badewanne von Philippe dem Starcken den Limburgern zu mehr Fremdenverkehr verhelfen.

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Galerie auf den halbkreisförmigen Arkaden

Gegründet wurde der Ort durch den heiligen Meinrad im Jahre 835 als Einsiedelei, bestehend aus einer Klause und einer Kapelle. Nach einer Sage wurde Meinrad 861 von zwei Räubern erschlagen. Daraufhin sollen zwei Raben die Mörder verfolgt und dem Gericht zugeführt haben. Deshalb haben es die zwei Raben auf das Einsiedler Wappen geschafft. Mein Rabe, den ich täglich vor dem Küchenfenster füttere, benimmt sich unheiliger und schafft es lediglich, meine Haselnüsse zu futtern.

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Gartenpforte
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Die Bank gegenüber wollte auch Barock
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steingewordener Geist der jeweils entsprechenden Zeit

Die Gründung der Benediktinerabtei geht auf das Jahr 934 zurück. Durch Schenkungen des ostfränkischen Königs und nachmaligen deutschen Kaisers Kaiser Otto I. sowie später Kaiser Heinrich II. gelangte das Kloster in den Besitz grosser Ländereien. Das führte in der Folge zu andauernden Grenz- und Nutzungskonflikten mit Bauern aus der Talschaft Schwyz. 1314 wurde das Kloster von den Schwyzern erobert und geplündert. Herzog Leopold I. von Österreich, als Schirmherr des Einsiedler Klosters, griff danach die Innerschweizer an, unterlag aber 1315 in der Schlacht am Morgarten. Der Konflikt wurde 1350 beigelegt. Das Kloster verlor damals einen beträchtlichen Teil seines Landbesitzes. 1394 ging die hohe Gerichtsbarkeit an Schwyz, Einsiedeln wurde Landschaft des Standes Schwyz. Die niedere Gerichtsbarkeit lag beim Kloster. 1798 wurde die Landschaft Einsiedeln dem Land Schwyz politisch gleichgestellt und später als Bezirk dem Kantons Schwyz eingegliedert. Das Kloster behielt zunächst seinen starken Einfluss.

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Fotografieren verboten

Das heutige, barocke Kloster entstand von 1674 bis 1735 als vollständiger Neubau in drei Etappen nach den Plänen von Caspar Moosbrugger, einem Einsiedler Mönch und Mitbegründer der Vorarlberger Barockbauschule. Gleich beim Eingang steht die Gnadenkapelle mit der schwarzen Madonna. Im Innern der Kirche gibt es das grösste Deckenfresko der Schweiz zu sehen. Barock. Seit der Renovation der Fresken sieht hier alles licht und hell aus. Nicht mein Fall, aber unbedingt sehenswert. Die Wallfahrt hat in Einsiedeln eine grosse Bedeutung. Kreuzgänge und Pilgerfahrten sind schon ab der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts dokumentiert.

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Herbstlicher Gemüseteller

Mittagessen. Ich hatte mir, einer Pilgerfahrt angemessen, den Besuch in einer noblen Gaststätte im nahegelegenen Euthal vorgenommen, Frau L. wollte sich hingegen mit einem frugalen Käsebrot in einem Tea Room bescheiden. Nach einigem hin und her einigten wir uns auf einen Kompromiss: das Gasthaus Linde. Gut-bürgerlich, wie das hier so schön heisst.

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Einsiedler Schafböcke

Im Klosterladen fand ich zwischen Bergen von Devotionalien zwei Fläschchen Klosterwein und Schafböcke. Das eine ein frischer, angenehmer Räuschling vom Zürichsee, das andere ein traditionelles Gebäck für Pilger, angeblich aus aromatischem Honigteig, Wer genau hinsieht, entdeckt ein im Gras liegendes Lamm (Agnus Dei). Falls er nicht schon vorher an dem trockenen Kuchen erstickt ist.

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Dösen an der Etzelstrasse am Sihlsee
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Paracelsus-Gedenkstein vor der Sihlbrücke an der Egg

Der Heimweg führte uns über den enge Etzelstrasse an die Egg, dem Geburtsort des Paracelsus, Teophrast von Hohenheim, vorbei über den Seedamm nach Turbenthal stracks in den Fabrikladen der Firma mit den feinen Schlaf- und Badetextilien. Da mir beim Waschen unserer weissen Badetücher versehentlich meine schwarzen Trauersocken in die Maschine gerieten, mussten die Tücher ersetzt werden. Saudumm ? Schafdumm !

Quellen:

Kloster Einsiedeln wiki
Einsiedeln Historisches Lexikon der Schweiz

15 Kommentare zu „CH-8840 Einsiedeln: Raben und Schafböcke“

  1. Geschichtsstunde mit Robert. Wie immer sehr amüsant und mit wunderschönen Fotos. Beim Pilgergebäck kam mir sofort was GANZ anderes in den Sinn 😉

  2. Man hätte daraus auch die Frotteewarenkollektion Agnus Dei kreieren können (nur echt mit dem schwarzen Schaf!), aber dann hätten wir keine Pilgerreise gehabt 😉

  3. Hach, wie schön, da werden alte Sommerlager-Erinnerungen wach – da waren wir mal in Egg 😉 Die Abtei fand ich damals auch sehr beeindruckend, wobei es mich zugegebenermaßen damals noch viel mehr beeindruckt hat, dass ich in einem kleinen Buchladen in der Altstadt vergeblich versucht habe mich mit dem Besitzer zu unterhalten – tiefstes Schwitzerdütsch (schreibt man das so?) – keine Chance 😉

  4. Vielleicht hättest Du bei Paracelsus etwas finden können, das Eure Badetextilien gerettet hätte. Über Paracelsus gab es ohnehin noch nicht sehr viel. Schau doch mal… 😉

  5. Kulinarische Zerstreuungen gibt es in Einsiedeln aber schon! Einsiedler Ofeturli – dafür sollte man vorher aber 10 km langlaufen. Und wenn man 15 km mag, liegt noch ein Stück Kirschtorte bei Scheffer drin: so viel Krisch, dass es im Teller ein Pfütze gibt…

  6. @ninivepisces: der Ort hat zwar 14’000 Einwohner, das würde man aber dennoch nicht erwarten.

    @Micha: wirklich nicht geblinzelt ?

    @Hanne: google wird wohl nach Pilgergepäck fragen.

    @bee: die grauen Flecken hätten nicht mal zum Schäfchenzählen getaugt.

    @Tring: bei einem Buchhändler würde ich auch in der Schweiz erwarten, dass er Deutsch versteht. Aber ja, auf dem Lande sind Buchhändler meist eher Papeteristen.

    @Rufus: „Wer meint, alle Früchte würden gleichzeitig mit den Erdbeeren reif, versteht nichts von den Trauben.“ Das half zwar nicht, die Frotteetücher zu retten, aber nett ist es gleichwohl.

    @Bea Wyler: ofentori hab ich selber schon gemacht. Auf die Bäckerei Schefer sind wir auch gestossen, die bäckt das beste Basler Brot weit und breit.

    @Turbohausfrau: gedreht hab ich kaum was an den Bildern, Die Sony gibt gerne etwas knallige Farben, aber so sind hier schöne Herbsttage.

  7. Hallo Robert, ist die Kunde von Fürstbischof Franz-Peter auch bis in die Schweiz vorgedrungen? Du wirst lachen: seit die Auseinandersetzungen um den neuen Bischofssitz die Öffentlichkeit – sprich: Bildzeitung und FAZ – mächtig beschäftigen, sind die Touristenzahlen in Limburg ebenso sprunghaft angestiegen wie die Zahl der Kirchenaustritte… Im Augenblick vermeide ich es nach Möglichkeit, mich als „Schaf“ in der Herde dieses „Oberhirten“ zu outen… Und der Einsiedler Barock ist um ein Vielfaches schöner und atmosphärischer als der zeitgeistige Bischofssitz in Limburg, trotz Stararchitekt. Leider habe ich es noch nicht bis nach Einsiedeln geschafft, für den sonntäglichen Kirchgang ist der Weg nach Einsiedeln doch ein wenig weit.
    Ich habe Deinen Bericht – wie immer – genossen!
    PS wenn man den Bildern, die vom fürstbischöflichen Badezimmer veröffentlicht wurden, Glauben schenken darf, ist es gar nicht die Badewanne von Philippe dem Starcken. Aber nächster Skandal: wozu braucht Fürstbischof Franz-Peter eine Doppelbadewanne: sie hat Nackenstützen an beiden Schmalseiten?!?

  8. Angesichts der Würzburger Residenz in der letzten Woche fragte ich mich, ob der Limburger Residenzherr wirklich übermäßige Ausgaben getätigt hat. 😳

  9. @moni-ffm: ich sehe auf dem Bild mit der Wanne nur ein einziges Badetuch und sonst nichts Anrüchiges. In der dahinterstehenden Bücherwand ein Set von Porzellanelefanten und Kakteen.

    @mlocuc: wenn die Bauwut der fürstlichen Bischöfe wenigstens etwas zum Bewundern hinterlässt…

  10. Robert, das Badewannen-Foto, auf das Du Dich beziehst, ist das Werbefoto der Firma Duravit…
    In der örtlichen Presse wurden vor ein paar Tagen Fotos veröffentlicht, die ein Besucher der Wohnung heimlich mit dem Handy aufgenommen hat, und darunter war auch ein Foto der inzwischen berühmt-berüchtigten Badewanne. Man konnte die beiden Nackenstützen deutlich sehen… die meiner Kenntnis nach bei den meisten der wenigen auf dem Markt befindlichen freistehenden Badewannen angebracht sind… Meine Bemerkung dazu war ironisch gemeint… Was ich damit sagen wollte: er hat seinen Ruf so weit abgewirtschaftet, dass man sich schon über die Nackenstützen seiner Badewanne (abwegige) Gedanken macht… Mir ist das völlig wurscht, ob der Fürstbischof eine oder zwei Nackenstützen an der Badewanne hat. Was mir nicht wurscht ist der Preis für dieses Objekt, jedenfalls so lange wie es im Bistum Kindergärten mit 30 Jahre altem Mobiliar oder undichte Dächer an Kirchen o. ä. gibt… und in allen solchen Fällen die Spendenbereitschaft der Gläubigen Maßstab für Renovierung, Erneuerung etc. ist.

    1. ei ei. Ein Werksfoto. Das nennt man gezielte Desinformation durch die Presse, wundere mich noch über den Snobismus, Bücher im Badezimmer zu lagern… und falle voll darauf rein. Das ist ja ebenso schlimm wie das heimlich aufgenommene Bild.

  11. Ich bekomme beim Betrachten der Bilder ganz fürchterliches Fernweh oder Heimweh, so genau kann ich das gar nicht sagen.

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