Katzenbergerli mit Artischockenragout

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Katzenbergerli ?  Anfang der siebziger Jahre machten wir mit unserem orangenen VW-Käfer einen Samstags-Auflug zum Adlerwirt Rudolf Katzenberger nach Rastatt. Zum Altmeister und Doyen der deutschen Küche. Mehrere Spitzenköche durchliefen seine Schule, darunter auch Vincent Klink. Was wir dort assen, weiss ich nicht mehr, doch an die Beilage zum Fleisch erinnern wir uns beide: sagenhafte Kartoffelküchle. Vielleicht waren es bloss plattgedrückte Bubenspitzle, die Erinnerung verklärt so Manches, uns schienen sie damals ausserordentlich zart. Seither nennen wir unsere Küchlein aus Kartoffelpüree etwas anmassend „Katzenbergerli“.

Beim experimentieren mit pommes dauphine sind mir Kartoffelküchlein gelungen, die nicht nur nach gebratenem Kartoffelpüree schmeckten, sondern welche die innere Zartheit aufwiesen, die wir in verklärender Erinnerung den Original-Küchlein von Rudolf Katzenberger zuschreiben.

Rudolf Katzenberger starb 1999 im Alter von 86 Jahren. 1983 erschien sein Kochbuch „Feine deutsche Küche“, das ich mir unlängst antiquarisch besorgen konnte.  Im Internet ist er praktisch vergessen. Unter dem Namen Katzenberger findet sich mit über 4 Mio Treffern nur noch eine aufblondierte Knallcharge mit Silikonbusen.  Einem Koch flicht die Nachwelt keine Kränze. Frei nach Schiller. So ist das heute.

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Dazu ein Ragout aus den geschmacklich besten Artischocken, die ich kenne: Carciofi spinosi. Geerntet wird das stachlige Gemüse zwischen Ende November und Ende April. Jedes einzelne Blatt ist mit einem spitzen, blutrünstigen Stachel bewehrt, dessen einzige Aufgabe es ist, sich in menschliche Finger zu bohren.

Zubereitung
für den Brandteig:
75 ml Milch
75 ml Wasser
1 Prise Salz
60 g Butter
100 g Weissmehl
2 Eier

für die Katzenbergerli:
Gibt etwa 40 Stück
600 g mehlig kochende Kartoffeln, Agria, geschält
ca. 1 Tlf. Salz
Weisser Pfeffer, Muskatnuss
fakultativ: fein geschnittene Kräuter wie Salbei oder Schnittlauch nach Belieben

für das Artischockenragout:
3 Carciofi spinosi
1 Knoblauchzehe, gehackt
1 Elf. Zitronenöl
1 Schuss Weisswein
1 dl Hühnerbrühe
1 Elf. Butter
Salz, Pfeffer

Zubereitung
Den Brandteig kann man auch von Hand zusammenrühren. Da ich die Cooking Chef nun einmal habe, soll sie für mein Geld auch was arbeiten:
(1) Milch, Wasser, Salz und Butter in die Rührschüssel der Kenwood Cooking Chef geben, mit dem K-Haken rührend (Interval 1) bei 140°C aufkochen.
(2) Temperatur ausschalten.
(3) Auf Stufe 4 drehen lassen, das gesiebte Mehl im Sturz beigeben und solange (3-5 Minuten) rühren lassen, bis die Temperatur auf 60°C gefallen ist.
(4) Temperatur auf 60°C einstellen und die Eier langsam und portionsweise darunter rühren bis ein homogener, glänzender, klebriger Teig entstanden ist. Den Teig in der Rührschüssel belassen.

(5) Indessen die geschälten Kartoffeln in kleine Würfel schneiden und in Salzwasser weich kochen.
Abschütten und ein wenig ausdampfen lassen. Durch eine Kartoffelpresse drücken.
(6) Die pürierten Kartoffeln zum Brandteig geben und etwa 5 Minuten auf Stufe 4 rühren lassen. Abschmecken mit Salz, Pfeffer und Muskat. Ggf. Kräuter unterrühren.
(7) Den Teig auf mehliertem Holzbrett 1 cm dick auswallen. Mit einem Ausstecher Taler von 4 cm Durchmesser ausstechen.
(8) in wenig Olivenöl langsam beidseitig anbraten

Was nicht direkt gebraucht wird, zwischen Backpapier einfrieren.

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für das Artischockenragout:
(9) Artischockenblätter vorsichtig abknicken, mit einem Sparschäler rüsten, der Länge nach vierteln, Heu entfernen, zähe Stelle wegschneiden. In Wasser mit Zitronensaft einlegen.
(10) Abtropfen lassen, klein schneiden. In einer heissen Pfanne in Zitronenöl kurz anbraten, ablöschen mit Hühnerbrühe und einem Schuss Weisswein. Ca. 10 Minuten garen. Ragout absieben, den Saft noch etwas einkochen und mit der Butter aufmontieren. Würzen mit Salz und Pfeffer. Ragout wieder darin aufwärmen.

Servieren mit confierten Tomätchen. Beim aufschreiben fiel mir auf, dass das provenzalische Rezept für Artischocken à la Barigoule dazu sehr gut gepasst hätte. Ein Andermal, wenns mir wieder mehr ums Kochen ist.

33 Kommentare zu „Katzenbergerli mit Artischockenragout“

  1. Rastatt…da werden Erinnerungen wach (=so nah an meiner Heimat Baden-Baden!)
    Und welch Freude, dass du für mich ‚Chef‘-Neuling das Rezept mit Angaben für die ‚Chef‘ postest!!

  2. Ihr zwei im orangen VW-Käfer…. *Wir wollen Bilder sehen, wir wollen Bilder sehen…*… logo, oder?

    Und diese Kartoffelküchlein mit Artischocken werde ich wohl nachkochen müssen!

  3. Sehr schön, Brandteig beherrsche ich auch ohne Cooking Chef und Artischocken- wenn auch nicht jene spezielle Sorte- wachsen im Garten!

      1. Die wachsen sogar im Unterengadin, in Lavin und gegessen werden sie im Waldhaus ein paar Kilometer dem Inn entlang aufwärts. Jürg Wirth, Biobauer in Lavin, pflanzt sie auf seinen Äckern.(http:www.uschlaingias.ch/0aktuell.html)

  4. Sehr schön, sie schauen echt gut aus, die Kartoffelknöpfe. Und das Ragout auch, habe Artichocken noch nie so gegessen.

    Erstaunlich, dass Du Dich an diese Dinger erinnerst, nach so vielen Jahren. Aus dieser Zeit erinnere ich mich nur an Namen von Gerichten in Rstaurants und bei einem, der Balkanplatte in Lustenau, ohne Restaurantnamen, an die unheimliche Grösse 🙂

  5. Ein sehr schönes Gericht! Diese Artischocken müssen sich so wehren, weil sie so gut schmecken! Auf Kreta fand ich sie wild oder eher verwildert und habe mich schön masakriert. Hier habe ich sie -glaube ich- noch nie gesehen.
    Warte mal, wenn einer der neuen Starköche das Irdische segnet, ob dann im Internet nicht mehr Treffer für die Nachwelt bleiben…, wobei Silikonbusen kommt sehr gut an (also bei mir nicht…).
    Liebe Grüße
    Cheriechen

    1. Wer vor dem Internetzeitalter gestorben ist, hat allerhöchstens einen Eintrag in wiki zugut. Dann muss er aber schon sehr bekannt gewesen sein.

      1. Und du hast den Herrn Katzenberger hinübergerettet ins neue Zeitalter! Vielleicht feiert er heute Abend mit einer guten Flasche und leckeren Küchlein… 😉

  6. Ja, die Einnerung verklärt so manches. 😉
    Ich habe mich kürzlich an deinen pommes dauphine probiert, aber irgendwie war der Teig viel zu weich und am Ende hatte ich unansehnliche (immerhin wohlschmeckende) Flatschen. Eine gute Gelegenheit, das noch einmal in Angriff zu nehmen.
    Und wenn man sich all der guten Köche erinnerte, dann könnten doch nicht so stets auf’s Neue viele Sterne am Kochhimmel scheinen…

    1. wenn der Teig zu weich war, so waren die Eier zu gross. Brandteig ist in dieser Hinsicht Gefühlssache. Einfach etwas weniger Ei nehmen. Manche verwenden nur Eigelbe und sind damit etwas flexibler.

  7. DANKE für das „cooking chef rezept“. der sollte nämlich bei mir auch wieder einmal beschäftigt werden…..aber bei DEM sonnenschein. hoffe, dass deine „unlust“ zum kochen dem schönen frühlingswetter zu zuschreiben ist. alles gute

  8. wunderbare alternative zu den pommes dauphine, ich habe nur einen Backofen, und muss mich immer entscheiden beim kochen für was ich den Backofen brauchen kann. niedergar Fleisch und noch etwas anderes im Backofen wie die pommes dauphine geht nicht. dafür die katzenbergerli:)

  9. Dein Foto lässt es mir warm ums Herz werden. Die Kartoffelküchle müssen wir wohl auch mal ausprobieren … nach der genussvollen Schilderung 😉

    Gruß,
    Jens

  10. Mein Käfer war himmelblau…und ich habe ihn geliebt!!!!! Nach zwei Tagen Schneefall aus dem Tiefschnee ausgegraben, reingesetzt, gestartet und losgefahren. Das waren noch Autos…..
    Wir haben auch so ein Rezept: ein Kartoffelkloßteig aus gekochten Kartoffeln mit frischen Kräuter um ein geräuchertes Forellfilet herum und dann ausgebraten…so lecker! Gab es in der Rhön damals, der Forellenlieferant in unmittelbarer Nachbarschaft zum Gasthof – wie überaus praktisch!

  11. Das Rezept kommt mir gerade recht. Ich habe Carciofi gekauft. Bei mir hat es nur für eine rote Diane gereicht:) Ich muss auch dazu sagen, dass der Käfer damals schon nicht mehr in war.

  12. Gestern nachgekocht und für gut befunden! 🙂

    Sind wirklich coole Rezepte dabei! Nur der Interpretationsspielraum ist teilweise etwas gross, aber das darf ja sein. 🙂

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