Spinat, à la mode de chez nous

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Mit „nous“ meine ich nicht „uns“, sondern das Restaurant de la Pyramide in Vienne,  ein Tempel französischer Kochkunst. Der grosse Fernand Point wirkte hier bis zu seinem Tode 1955. Danach übernahm seine Witwe bis 1986 die Leitung.  Nach einem Interregnum wird im Betrieb offenbar wieder auf hohem Niveau gekocht.

Das einfache Rezept stammt aus längst vergangenen Zeiten. Zeiten, in denen es während eines Mahls um Genuss ging und nicht um die wissenschaftliche Zerlegung des angerichteten Ikebana-Tellers: in verschiedene Konsistenzen und Texturen, süss und sauer, salzig und bitter, fruchtig, erdig, dazu die Kontrolle, ob die Erkenntnisse der Apologeten des Aromenpairings eingehalten wurden. Nicht vergessen, den Beweis auf Instagramm festzuhalten und das Spiel bei 12 Gängen bei jedem servierten Teller zu wiederholen. Ernsthaft, mein Rezept stammt aus Zeiten, in denen man einfach gut essen und sich schlicht daran erfreuen wollte. Meine Quelle ist das Buch: Die geheimen Rezepte der besten Restaurants Frankreichs, Hallwag Verlag, 1976:

Junger Blattspinat wird in Butter geschwenkt, auf mit Schinken belegten Toastbroten angerichtet, mit einer Ei-legierten Béchamel überzogen und kurz überbacken.

Spinat Fernand Point 2014 04 20_3819

Der Rezepttitel erinnert bewusst an den Kindervers:

Savez-vous planter les choux ?
À la mode de chez nous
On les plante avec le doigt
À la mode, à la mode,
On les plante avec le doigt.
À la mode de chez nous.
usw.

Zutaten
für 8 kleine Toastbrote, 6x8cm

500 g junger Blattspinat
2-3 Elf. Butter
1 kleine Msp. Muskatnuss gerieben
1/2 Tlf. Zucker
Salz, Pfeffer

ca. 1 dl Béchamelsauce
2 Elf. Vollrahm
Salz, Pfeffer, Muskatnuss gerieben
2 kleine Junghennen-Eigelb

8 kleine Scheiben Toastbrot, frisch geröstet
ca. 4 grosse Scheiben Schinken (150 g,  auf die Grösse der Toastbrote zurechtgeschnitten)

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Zubereitung
(1) Den gewaschenen Spinat in einem Sieb mit 5 Liter kochendem Wasser übergiessen, gut abtropfen lassen und ausdrücken.
(2) Béchamelsauce und Rahm verrühren, die Sauce auf 80°C erwärmen, die Eigelb unterrühren bis sie binden. Würzen und warm stellen.
(3) Spinat in einer heissen Pfanne in der zerlassenen Butter 3 Minuten mit einem Holzspatel ununterbrochen wenden und würzen. Der Zucker macht ihn milde.
(3) Den Schinken beidseitig kurz in etwas erhitzer Butter, ohne Bräunen, anziehen lassen. Hab ich Schussel vergessen.
(4) Brotscheiben, mit einem Kuchengitter beschwert, auf ein mit Backpapier belegtes Blech legen und im Ofen bei 200°C beidseitig hell anrösten, herausnehmen, Schinken drauf, ein Spinathäufchen drauf und mit der Sauce überträufeln. Kurz (3 Minuten) unter den Grill (200°C) stellen und servieren.

Dazu gabs noch zwei pochierte Düsentrieb-Eier. Das war unser Mittagessen an Ostern. Hätte man uns Kindern Spinat in dieser Weise serviert, so würden wir das Gemüse eher gemocht haben.

36 Kommentare zu „Spinat, à la mode de chez nous“

  1. Ja, wirklich eine gelungene Art Spinat an Kinder und Erwachsene zu bringen!

    Wobei sich mir nie erschlossen hat, warum manche Menschen/Kinder Spinat nicht mögen und zum Glück mochten auch alle meine 3 Kinder von Anfang an Spinat.

  2. Gut, mit Eiern vom personalisierten Huhn und Jahrgangsspinat kann man das auf die Karte setzen 😉

  3. Eso – immer !
    Eifach nit als griene, ghackte Pflutter (teilw. mit Rahm), eme Spiegelai obedruff und Salzhärdepfel. Mi Binggistrauma am griene Dunnschtig.

  4. Wie gewandt du die Sterneküche in Worte fassen kannst und genau den Punkt deutlich formulierst, der auch meine Hauptkritik ist, nämlich aus den Augen verloren zu haben, dass die schönsten Essen, die sind, bei denen es um *einfach gut essen und sich schlicht daran erfreuen* wollen geht. Jederzeit ziehe ich diesen deinen Teller einem übergeschnörkelten Teller vor. Aber das weißt du ja :). Und eine dergeartete *öffentliche* Küche ist leider schwerer zu finden, wie die Nadel im Heuhaufen. Hach, wir bräuchten ein *Bistro* wie das deine!

    1. In Italien sind solche Lokale vermutlich eher als in Frankreich zu finden. Aber auch dort wollen viele Köche „dabei“ sein, damit sie den Zeitgeist nicht verpassen.

  5. Deine Einleitung spricht mir aus dem herzen. Micha hat vorweggenommen, was ich schreiben wollte, so spare ich mir die Tipperei. Deine Schnitten sehen zum Reinbeissen aus.

    Spinat musste ich essen, aber meine Mutter war gnädig, sie machte mir einen gehäuften Teller rohen Spnat bereit, den ich statt der Schlunze essen durfte.

  6. Ich schließe mich Micha und Erich an. Es ist nur immer so schwer, diese „alten“ Rezepte zu finden…

  7. Hätten wir doch nur dieses wundervolle Gericht bei unserem letzten Besuch im Le Pyramide geniessen dürfen. So aber wurde uns ein Degustations-Menue vorgesetzt, das nicht einmal im Ansatz eines Sterne-Restaurants würdig war. Patrick Henriroux hatte wohl einen schlechten Tag und der grosse Fernand Point muss sich wohl im Grabe herumgedreht haben. Als Entschädigung werde ich diese Köstlichkeit à la mode de chez nous nachkochen.

  8. Wie geht der Kindereim? Ich mußte Spinat essen, bis er wieder hoch kam und ich zum Gluck jahrelang keinen mehr essen musste, bis ich ihn selbst zubereitete. Seitdem liebe ich Spinat! Ich habe meine Kinder nie zum Esser gezwungen und es sind beide ausgesprochene Genießer geworden. Wir gehen allerdings quasi nie ins Restaurant.

  9. Ich krieg Hunger, wie lecker das aussieht! Die modern geschichteten Mikrogerichte sprechen mich auch nicht wirklich an, auch wenn das ja oft sehr gut schmeckt, was die modernen Köche da zubereiten. Das Problem ist (neben dem Preis und dass im Arrangement x Leute mit den Fingern dran rumgefriemelt haben müssen): Nach zwei Haps isses weg, das Gericht und dann kommt das nächste. Im Geschmack schwelgen kann man nur mit größeren Portionen. Solchen wie diesen!

    1. Genau das ist der Punkt: 3 Tropfen Sauce sind auf dem vorgewärmten Teller eh eingetrocknet usw. Um etwas geniessen zu können, muss es schon mehr auf dem Teller sein. Die Konsequenz davon ist, das ich mich halt mit 2-3 Gängen zufriedengeben muss. Bei 50 verschiedenen Aromen in verschiedenen Tellern sind die meisten der Esser eh hoffnungslos überfordert.

  10. Bravo, Robert!
    Die modernistischen Spielereien (Spinnereien?) betreffend, schliesse ich mich dir und oben aufgeführten Kommentaren an.
    Auch ich liebe Gerichte in der Art deiner Spinat-Croûtons. Leider hat diese Kategorie bereits eine «trendige» Bezeichnung verpasst bekommen: Comfort Food. (no comment!)
    Rezepte dieser Art finden sich auch in Auguste Escoffiers (1846–1935) «Guide culinaire» (man muss sich ja nicht gerade an die aufwändigsten halten!). Aus diesem Werk habe ich einige Rezepte für die Zeitschrift «Marmite» neu rezeptiert.
    Wer sich dafür interessiert, erhält von mir die entsprechenden Links!
    FEL!X

    1. auch das wird vorübergehen, man muss nur warten können 😉 Ich muss mal meine Marmite-Sammlung durchsehen, hab allerdings eine Lücke dazwischen und würde mich deshalb für den link interessieren.

  11. Verrückt, auch mir sprichst du aus dem Herzen! Da aber doch das Angebot durch die Nachfrage bestimmt wird, muss es doch auch sehr viele Menschen geben, die scharf sind auf „Firlefanz-Küche“. Somit wären wir alle die Außenseiter oder das Pendel wird demnächst wieder umschwingen, was ich hoffe!
    Deine Toast machen mir jedenfalls Appetit – obwohl ich meiner Mama als Baby die ganze Küche grün gepustet habe….
    Liebe Grüße
    Cheriechen

    1. ach, all die Leute, die sich die Woche durch in der Kantine verpflegen müssen, wollen sich auch mal was leisten. Und wenn sie schon 200-300 € (pP) für ein grosses Menu auslegen, wollen sie auch was dafür kriegen. Das wäre dann die „Nachfrage“ und dafür legen und dekorieren 6 Köche nacheinander etwas mit der Pinzette auf die Teller drauf. Aussenseiter muss es auch geben 😉

  12. „wissenschaftliche Zerlegung des angerichteten Ikebana-Tellers“ – Danke 🙂
    ….und das mit dem Zucker im Spinat wird getestet….

  13. Wunderbar, ich hoffe ich kriege nächste Woche nochmal so schönen Spinat wie wir ihn dieser Tage als Salat genossen haben, dann gibts das im Hause ninive.

      1. weniger als unsre „Blättlesalat“… und ich konnte welchen ergattern heute, so gibt es eventuell morgen bei uns. Muß nur noch nach passendem Brot suchen…

  14. Dieses Buch interessiert mich (der Spinat-Toast natürlich auch 😉 ), offensichtlich ist es noch antiquarisch zu bekommen. Hast du einen Gesamtband, denn bis jetzt habe ich nur diverse einzelne Bände gefunden, Vorspeisen, Geflügel etc.?

    Ansonsten haben mein Mann und ich auch festgestellt, dass wir immer weniger Vergnügen an den Tröpfchen und Tüpfelchen auf den kunstvoll arrangierten Tellern finden – du hast es sehr treffend beschrieben.

    1. Das Buch gibts noch, alles in einem Band.
      ISBN 3 444 10194 5
      Da haben wir den selben Geschmack, liebe Sabine. Wenn man euch speisen liest, fällt auf, dass ihr meist in kleinen Grotti esst, kaum in den Sternelokalen des Tessins.

      1. vielen Dank für die ISBN, wird sofort bestellt. Und ja, es stimmt, vor allem im Tessin spüren wir gerne die ursprünglichen Grotti mit ihrer ehrlichen Küche auf. Im Elsass verhält sich das manchmal ein bisschen anders, aber auch da zieht es uns immer seltener zu den „Besternten“

  15. Oh, das Buch habe ich ja auch. Könnte auch wieder mal was daraus kochen. Blattspinat ist ja schon was feines und pochiertes Ei dazu sowieso.

    Achja, und von wegen Kinder und Spinat. Viele Kinder mögen Spinat, aber eben Blattspinat und nicht dieses gemantschte Zeugs. Mir geht es bei gehacktem Spinat wie dem Basler Dybli. Als ich Kind war, kam bei uns dieses Gericht meist an einem Freitag auf den Tisch – kulinarisch gesehen mein absoluter Hasstag. Ich hätte jeweils heulen können. Da kommst Du ausgehungert wie ein Wolf von der Schule heim und dann gibt es diesen unsäglichen gehackten Spinat mit einem Spiegelei, das unten eine braune Kruste hatte (schüttel) und bei dem der Dotter schon fast hart war. Das lag allerdings nicht an den Kochkünsten meiner Mutter, sondern an mir, weil ich auf dem Schulweg zu lange getrödelt hatte oder noch nachsitzen musste oder so… 😉 Naja, und dann dazu Salzkartoffeln – als Kind auch nicht grad meine Leibspeise…

    1. Sin unsri Ältschte emänd verwandt mitenander ?
      Und mir zwai wisse vo nüt ! 🙂

    2. so wie Du das schilderst, würde mir das (heute) geradezu schmecken. Fein püriert ist eh wieder in Mode. Viel schlimmer fand ich jedoch die in Wasser gedämpften Zucchetti, wenn ich mich recht entsinne, auch mit Salzkartoffeln. Das konnte nur eine Buchstabensuppe wieder gutmachen.

  16. Danke; heute gleich probiert, aber anstelle von Blattspinat, frisches Radieslikraut verwendet. Etwas herber, aber schmackhaft und der Garten ist voll davon. Gruss von Topf zu Topf, JTW

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