Jedermann kennt Bocuse. Fredy Girardet (3 Michelinsterne. 19.5 GM-Punkte) kennen nur noch Wenige. Während sich der Franzose gerne im Licht der PR-Schweinwerfer zeigte, zog es der Schweizer vor, im Stillen zu wirken, selber keine Bücher zu schreiben, sich bescheiden seiner Küche, seiner Familie und den Gästen zu widmen. Zwischen 1988 und 1995 leisteten wir uns jedes Jahr einmal den Luxus, in seinem Restaurant in Crissier zu essen.
Über Jahre hinweg wurde als Amuse gueule ein (sehr) kleines Stück warmer Zwiebelkuchen serviert. Jedesmal, wenn er die Tarte durch etwas Neues ersetzen wollte, wünschten sich seine Stammgäste seine Tarte à l’oignon zurück. Sagt das nicht schon alles ?
Tarte à l'oignon Fredy Girardet
Ich habe mich nicht exakt an das Rezept im Buch „La cuisine spontanée“, Editions Robert Laffont, 1982, von Fredy Girardet gehalten: Mein Boden ist etwas zu dick geraten und ich verwendete ein anderes Zwiebel-Eierguss-Verhältnis. Dennoch kam sie meiner Erinnerung nahe.
Zutaten
für ca. 8 Vorspeisen-Portionen
Form (26 cm rund oder 19×28 cm Rechteck)
für den Teig:
200 g Weissmehl (L.: italienisches 00-er)
130 g Butter (L.: 120 g)
10-20 ml Wasser
1 Ei
4 g Salz
für die Füllung:
300 g Zwiebeln, mild, z.B. Roscoff, geschält und in feinste Scheiben geschnitten
30 g mild geräucherter Brustspeck in sehr feinen Streifen
50 g Butter (L.: 40 g)
3.5 dl Crème double
3.5 dl Milch (L.: statt 7 dl Crème-Milch-Mischung verwendete ich total nur 3.5 dl Vollrahm, meine Form hat einen niedern Rand und fasst deshalb nicht mehr)
4 Eier (L.: 2 Eier)
Salz, Pfeffer, Muskatnuss (L.: und eine Prise Piment d’Êspelette)
1 Elf. Petersilie glatt, gehackt
Dazu habe ich noch 4 cm grünen Lauch, fein geschnitten, 2 Minuten blanchiert, gegeben.
Zubereitung
für den Teig:
(1) Ofen auf 180°C stellen. Mehl und Salz in die Teigschüssel des Rührwerks sieben. Kalte Butter in Flöckchen unter das Mehl mischen und mit dem K-Haken zunächst langsam, dann schnell zu einer krümeligen Masse verrühren.
(2) Das Ei und soviel Wasser in kleinen Portionen zugeben, bis der Teig klumpt. Von Hand rasch zu einer Kugel formen und 30 Minuten im Kühlschrank ruhen lassen.
(3) Teig portionsweise auf 2-3 mm Dicke auswallen. In eine gebutterte, bebröselte Form (26 cm rund oder 19×28 cm Rechteck) einpassen, stupfen, 15 Minuten kühl stellen, dann mit Backpapier und Backbohnen belegen und ca. 20 Minuten bei 180°C blindbacken. Danach Ofen auf 210°C stellen.
(4) Die feinen Speckstreifen in der Butter golden ausbraten, die aufgeschnittenen Zwiebeln zufügen und auf mildem Feuer langsam (ca. 30 Minuten lang) garen.
(5) Den Rahm mit den Eiern aufschlagen und würzen. Mit den gegarten Zwiebeln und dem blanchierten Lauch vermischen. Zum Schluss die gehackte Petersilie unterziehen.
(6) Die Zwiebel-Eier-Rahm auf den vorgebackenen Teigboden giessen und in den auf 210°C vorgeheizten Ofen schieben. Ca. 25-30 Minuten backen. Ggf. mit Alufolie abdecken.
Das ist eine sehr feine Tarte, der Teig bröselig -mürber geht nicht mehr-, zart-schmelzende, geschmackvolle Zwiebelfüllung, die ohne Schnickschack daher kommt und die deshalb heute noch ihren (unvergessenen !) Reiz hat. Auch wenn sie (oder weil sie) für heutige Begriffe mit reichlich Butter und Rahm hergestellt ist. Ein ideales Amuse Gueule für eine grosse Tischrunde.
Heutige 3-Sternelokale servieren so etwa nicht mehr. Schade. Ob eine Küchengruss-Praline vom Seeteufel an Hummerschaum mit Pistaziencrumble auf Wasabi-Pumpernickel besser schmeckt, mögen jene beurteilen, die das eh besser wissen. Warum immer mehr, immer aufwendigere Kreationen, immer exotischere Geschmackskombinationen, wenn doch das Einfache so gut schmecken kann ?
A la recherche du temps perdu….
Ja, leider: immer weiter, höher, schneller, besser, raffinierter…
Lecker hast du den Zwiebelkuchen nachempfunden!
Als gebürtiger Schaffhauser denke ich natürlich an eine Schaffhuser Bölletünne. Diese ist etwas währschafter, zusätzlich mit Käse. Werde demnächst eine backen und berichten!
Mit besten Grüssen aus Fernost,
FEL!X
Die mögen wir auch:
https://lamiacucina.wordpress.com/2008/05/06/schaffhauser-bolletunne/
Eigentlich klar, dass eine solche bereits in deinem umfassenden Werk enthalten ist!!!
Ich backe trotzdem meine (sehr ähnliche) Version und dann stellen wir sie nebeneinander – nicht um zu konkurrieren, sondern einfach so! :o)
Nur zu, Ziibelewaije gooht immer. Hoffentlich hab ich das richtig geschrieben, sonst gibt mit Basler Dybli eins auf den Deckel.
Ein wunderbarer Gruß aus der Küche ohne irgendein „Cross over“.
finde ich auch.
Fedy Girardet im Hôtel de Ville in Crissier bei Lausanne war einer der wenigen Köche, die ich zeitlebens bewundert habe. Ich hatte zweimal das Vernügen bei ihm zu essen, und mag mich sehr wohl an diesen großartigen Zwiebelkuchen erinnern. So etwas Perfektes zeugte von Größe.
Auch die Beschränkung der Gewürze auf maximal 3 zeugt davon.
Soul food pur! Nebst den milden Roscoffs sind auch die oignons doux des Cévennes nicht zu verachten – und ein Schluck Weisswein zum Ablöschen.
Diesen Mürbeteig muss ich unbedingt nachbacken. Merci für die Anregung!
Die Cevennes hatte ich kürzlich als Raviolifüllung verarbeitet. Der Mürbeteig ist ähnlich dem von A-S. Pic.
Du bringst es wieder auf den Punkt:“Warum immer mehr, immer aufwendigere Kreationen, immer exotischere Geschmackskombinationen, wenn doch das Einfache so gut schmecken kann ?“
Ich würde diesen Zwiebelkuchen jedem ausgefallenen Amuse Gueule vorziehen!
ohne das gibts heute bei den einschlägigen Grosskritikern keine Sterne mehr.
Du nimmst mir die Worte aus dem Mund. 😉
Worum denn in d‘ Färni (bzw. Höchi – sprich no no veruggter …) schweiffe, wenn s‘ Guete doch soo noch liggt. Gfallt mr sehr !
E so ne (oder au zwai) Stiggli würd‘ i scho zem Zmorge verdrugge.
Heut muss ich in die Ferne schweifen, nach St. Louis. Ich muss die Savora Senfsauce suchen. Du weisst schon.
Ziibelewaije isch perfäggt gschriibe – ich bi soo stolz auf di ! 🙂
Zem Sänf. St. Louis isch ganz guet. I würd als Erschts emol im Géant-Casino go verby luege (no zue bim Burgfälder-Zoll). Und sunscht het’s no anderi grossi Läde. Eine het‘ en ganz.bestimmt. Mäld di sunscht – bittscheen !
hab den Senf gefunden !
Bei meinem bislang einzigen Besuch bei V. Klink gab es ein Stückchen Lauch-Quiche… da hat mich deine Erzählung zum Lächeln gebracht.
Zwiebelkuchen steht eh auf der Agenda- auch wenn die Hauptsaison dafür schon wieder rum zu sein scheint.
schon rum ? Gestern war in Bern Zibelimärit. Da kommen die Zwiebeln erst so richtig in den Verkauf.
naja, neuer Wein + Zwiebelkuchen, diese Saison ist glaub ich rum.
Lieber Robert. Der Kuchen sieht aus wie gemalt und schmeckt bestimmt auch so. Verständlich, dass heutige Sterneköche derlei nicht servieren. Etwas Einfaches aber dennoch Köstliches ist wohl zu schwierig. Wegen der GESCHMACKSARCHITEKTUR. Wie du dir denken kannst, habe ich mich besonders über den letzten Abschnitt in deinem Post gefreut.
🙂 Ich bin froh um Dich, da ich nie TV gucke. Die Geschmacksarchitektur wäre mir sonst entgangen.
Zwiebelkuchen ist wirklich ein wunderbares Beispiel, dass einfache Küche köstlich schmeckt! Dazu einen Salat – wer könnte sich mehr wünschen?
Erst die Savora-Senfsauce, heute die Pilze auf Petersilienpüree. Liebe Micha, nicht so schnell, sonst kommt ich nicht mehr nach.
Ich kann wohl nicht davon ausgehen, dass das Rezept für die Seeteufel-Praline mit Wasabi-Pumpernickel demnächst kommt, oder?
Mangels Hummer, ja.
Der Vincent Klink in Stuttgart hat dieses Amuse auch manchmal bis öfter am Start. Wenngleich der nur einen Michelin-Stern vorzuweisen hat. Aber ansonsten scheint es mir eine ähnliche Schule zu sein.
Da siehst Du es, lieber Gottfried, ein solch bescheidenes amuse gibt heute ABZUG.
Lecker!! Ich liebe Zwiebeln (darf man bestimmt dieser Tage auch nicht mehr zugeben) und werde die auf jeden Fall nachbacken…und vielleicht lege ich mir zur Krönung einen Wasabi-Krümel oben drauf…
warum denn nicht ? Ohne Zwiebel geht in einer Küche überhaupt nichts.
Einfach, aber genial. FG hatte die Gabe und das Glück, die besten Produkte zu finden. Ich hatte das Privileg, zweimal bei ihm zu Geniessen – unvergesslich. Schön, dass Du diese Erinnerungen wieder weckst.
Liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
Leider habe ich vor einigen Jahre in spätkindlichem Aufräumwahn die sorgfältig gesammelten Speisekarten (mit dem Alphabet und den erhaben gedruckten Buchstaben „fg“ weggeworfen. Schade, aber da war ich noch nicht foodblogger.
Ich sage nur „Foodpairing“. 😉 Aus mir wird wohl nie eine Spitzenköchin werden…
Da halte ich mich lieber an diesen vortrefflichen Zwiebelkuchen!
Bist Du dir da ganz sicher ?. Wer die Anlagen zur Tortenkönigin hat, kann auch kochen.
Selten, aber hier ganz sicher: diese herrliche Zwiebeltarte wird nachgekocht. Demnächst für eine grössere Tischrunde. Mit dünnem Teig und üppig viel Fülle.
Falls Du die Kopie des Originalrezeptes möchtest, kann ich sie Dir zusenden.
Ja, bitte gerne!
Das tönt fein, wie der Schweizer sagt 🙂 Ich liebe ja Girardets Tarte au citron – und Girardet liebt Crème double 😉
stimmt, tarte au citron ist auch im Buch. Die Süssigkeiten ignoriere ich wie so oft…. zu Unrecht.
Ich war neulich in einem hochgelobten Restaurant und mir ging es auch auf die Nerven. Auch wenn es trendy ist, ich mag Steinpilze an Nudeln und nicht um einen Hummer gewickelt mit sonstnochwas…
Mut zum Puren, Schlichten, das dann aber gerne in Perfektion!
Ich bin d’accord!
Liebe Grüße
Cheriechen
Perfektion im Schlichten zu erreichen ist viel schwieriger als Türmchenbauen. Das ist in allen Bereichen des Lebens so.
Ich gehör zur Generation, die Giradet noch kennt. 😉 Und ich mach öfters einen Kartoffelgratin nach seinem Rezept. Hat auch keine Kalorien. 😉 Zwiebelkuchen steht jetzt aber auch auf meiner Liste.
Gratin de pommes de terre „Girardet“. Ganz einfach, wahrscheinlich stammt der noch aus seinem Bistro. Kennst Du den Orangengratin „Madame de France“ ?
Für diese wunderbaren Robertinische Zwiebeltarte lasse ich jeden schwäbischen Zwiebelkuchen stehen. Na ja, fast jeden 😉 Ein ähnliches Amuse gueule bekam ich kürzlich in einem kleinen, aber sehr feinen Restaurant in der französischen Drôme. Das hatte gar keine Sterne, aber phantastisches, regionales und saisonales Essen.
ausser, dass ich versuchte, sie nachzubacken, trifft mich kein Verdienst an der Tarte 😉 Ja, solche Trouvaillen gibt es immer wieder, ebenso, wie das Gegenteil.
Sieht das etwas trocken aus? 😉
Dafür steht doch ein Flascherl Weisswein bereit.
Sieht traumhaft aus, dein/Frédys Kuchen! Danke für das Rezept, wird nachgebackt 🙂
Aber lieber Robert, was zum Teufel ist denn „Madame de France“? …. ahhh allein der Name verursacht Glücksgefühle.
ein Dessert, ein Orangengratin.
Ah voila, mmmhhh!
Stammt dieser auch von Girardet? Und wüsstest Du wo man das Rezept findet?
aus dem selben Buch. Wenn ich dazu komme, mache ich das. Ist ja nun Orangenzeit.
ICH kenne den. Ich bin immerhin schonmal mit einem Rezept von dem Meister aus der Küchenschlacht geflogen! Hat von den Jungspunden keiner verstanden… 😉
Das kann ich mir vorstellen. An solchen Schlachten darf man nicht kochen was gut ist, sondern was den Juroren gefallen wird.