Kalbsfond dunkel

Kalbsfond braun
Ein Kalbsfonds gehört nicht gerade zu jenen Zutaten, die bei einer italienischen Mamma zuvorderst im Kühlschrank stehen. Dieser Platz ist bereits für den „cubo di brodo“, dem Brühewürfel, reserviert. In der gehobenen italienischen Gastronomie ist der Fond aber, wie anderswo, unverzichtbar. Der selbst zubereitete Kalbsfonds gibt jeder Sauce Stand und bildet die Grundlage für die Ausbildung der gewünschten Aromen. Ohne Kalbsfonds keine Fleischsauce. Knorr&Maggi überlassen wir der Gemeinschaftsgastronomie (wo sie ja durchaus berechtigt sein mögen). Notfalls weiss ich, wo Frau L. sie versteckt hat. zum Rezept

Zutaten
ca. 1.5 kg Kalbsknochen, vom Metzger fein gehackt
ca. 300 g Rinderwade, geschnetzelt (enthält viel Bindegewebe das sich beim Kochen zu Gelatine denaturiert) oder sonstige Paruren vom Rind
1-2 Stangen Staudensellerie
2 kleine Ruebli
1 Petersilienwurzel
2 Schalotten
1/3 Lauchstange
2 Tomaten, geviertelt
1 Elf. Tomatenmark
1 Knoblauchzehe
2 Lorbeerblätter
1 Elf. Zitronenthymian
5 Petersilienstengel
10 zerdrückte schwarze Pimentkörner
5 zerdrückte Wacholderbeeren
1 Gewürznelke
2 dl Weisswein
50 ml Madeira (Sercial, halbtrocken oder Verdelho, trocken)

Vorbereitung
(1) Knochen mit dem Hackebeil wenn nötig zerkleinern. Was dem Metzger klein scheint, ist mir meist noch viel zu gross. Je grösser die Oberfläche, desto mehr Röstaromen entstehen beim Bräunen.
(2) Knochen portionsweise mit einer Drahtkelle während 20 Sekunden in kochendes Salzwasser tauchen, dann unter kaltem Wasser abspülen und Stück für Stück von Hand abreiben. Knochen abtropfen lassen, dann mit Küchenpapier abtrocknen.

Knochen blanchieren Knochen rösten

Zubereitung
(3) Knochen in einem rechteckigen, grossen Bräter im Backofen (ohne Fett) bei 240°C unter gelegentlichem Wenden dunkelbraun anrösten. Das dauert etwa ¾ bis 1 Stunde.
(4) Rinderwade schnetzeln, am Schluss während der letzten 10 Minuten zu den Knochen geben und mitbraten lassen.
(5) Gemüse in kleine Stücke schneiden (Mirepoix, nicht dicker als 1 cm) und mit dem Tomatenpuree zusammen am Schluss während etwa 5 Minuten mitanrösten. Vorsicht, das Tomatenpuree soll anbräunen, darf aber nicht verbrennen.
(6) Die Knochen in kleinen Portionen mit dem Wein und dem Madeira ablöschen (glacieren), Weine einkochen lassen lassen.
(7) Bräter aus dem Ofen nehmen und vollständig erkalten lassen.
(8) 2 L kaltes Wasser angiessen, das gebratene, erkaltete Wadenfleisch zugeben, im Ofen bei 130°C während 3 Stunden, ohne Rühren, leise ziehen lassen. Die Flüssigkeit soll die Knochen bedecken, darf und soll aber etwas einreduzieren. Fett und Eiweisspartikel in Abständen abschöpfen.
(9) Eine halbe Stunde vor Ende die Gewürze zugeben.
(10) Vorsichtig durch ein feines Spitzsieb in ein hohes Gefäss abseihen. Rückstände erneut mit 2 L kaltem Wasser versetzen und diesmal für 1-2 Stunden im Ofen bei 130°C extrahieren (Der zweite, dünnere Extrakt heisst Grandjus).
(11) Wiederum abseihen. Die beiden Extrakte getrennt an einem kühlen Ort über Nacht erkalten lassen. Beide Extrakte sind nun geliert. Fettdeckel abheben und verwerfen.
(12) Den Grandjus (zweite Extraktion) in einem flachen Topf unter häufigem Rühren auf etwa 1/2 Liter einkochen, Schaum abschöpfen. Den Fond der ersten Extraktion zugeben, mischen, gesamthaft auf etwa 1.5 Liter einkochen und dann in kleine, luftdicht verschliessbare Gefässe abfüllen. Nach dem Erkalten einfrieren.

Knochen extrahieren Fond konzentrieren

Anmerkung
Das vorgängige Blanchieren und Waschen der Knochen, ferner das vollständige Abkühlen der gerösteten Knochen und der Verzicht auf das Herumrammeln mit dem Kochlöffel sind kleine Tricks aus der Proteinchemie: damit erspart man sich einen Teil des lästigen Klärens und Entschäumens. Das Wadenfleisch, üblicherweise roh gehackt zum Klären eingesetzt, benutze ich, angebraten, als Aromageber.
Lösliche Proteine und wachsende Proteincluster aggregieren sich mit diesem Verfahren an den Knochen und dem Wadenfleisch, statt die Brühe zu trüben. Die Beigabe des Weissweins senkt den pH und unterstützt dieses Vorhaben.
In Profiküchen wird der Grandjus entweder zu Glace de viande eingekocht oder dem nächsten Knochenansatz, als Verstärkung, beigegeben. In meinem Verfahren koche ich ebenfalls zweimal aus, vereine aber die beiden Extrakte. Erstaunlich, was man mit der zweiten Extraktion noch herausholen kann.

In einem grossen, hohen Topf liesse sich das Abschäumen leichter bewerkstelligen. Ich koche die Knochen im Ofen aus, weil in meiner Küche dadurch der Geruch besser abzieht.

Ein richtiger Fonds brun wird natürlich mit Rotwein gemacht. Da ich nicht noch einen hellen Fonds an Lager haben will, mache ich ihn mit Weisswein. So wird er halt nur mittelbraun.

20 Kommentare zu „Kalbsfond dunkel“

  1. Was soll ich hier eigentlich noch kommentieren?

    Ausser der Sache,dass Du mal Deinen Metzger bitten solltest, Kalbsfüsse au besorgen, dann kannst Du das Rind weglassen, die gelieren hervorragend, damit mach ich es.

    Jetzt hast Du ja erstmal Vorrat, oder?

  2. @Bolli: klar, dass die Kalbsfüsse am besten gelieren. Gelee ist aber nur das Eine. Ich nehm die Rinderwade, damit ich noch mehr Fleischgeschmack reinbekomme. Der Fond reicht mir für etwa 2 Monate.

  3. „Verwerfen“ und „gesamthaft“. Ich mag die Schweizer! Die sind putzig.
    Alta cucina. Sonst muss man nichts mehr sagen.

  4. Ist ja die reinste Alchimie! Solltest Du mal einen Versandhandel für Kalbsfond aufmachen, ich bin Dein 1. Kunde.

    P.S. die 2005 Bordeaux sind Tannin-Monster und sollte man erst wieder 2020-2030+ aufmachen. War harte Arbeit gestern, die Weine zu verkosten.
    Der Star des Abends war Sociando Mallet.

  5. @fressack: Du solltest mal die „Verwerfungen“ in meiner Küche sehen, wenn ich koche.

    @BerlinKitchen: Selbst handeln ! die handelsüblichen Lacroix-fonds kann man vergessen. Sind dünn und so gesalzen. Reduzieren kann man da nicht.
    2005er: das erleb ich wohl nicht mehr. Dann muss ich mich vorher durchs Tannin beissen.

    @kulinaria: gefallen mir auch, die putzigen.

    @Claudia: nicht seufzen, Du hast dafür Deine Mandel-Orangen-Kekse und alles geht einfach nicht

  6. Hallo!

    Bin durch Zufall auf diesen wunderbaren Blog gestoßen und kann mich nur bedanken…….

    Meine Fonds gefriere ich in Eiswürfelbeutel ein.
    Man kann sie portionieren wie gewünscht.

    LG Gabi

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