Träume, Schäume, Soufflés

Soufflee3_redc2008_1343

Es gibt Kochkünstler(innen), denen angeblich jedes Soufflé problemlos gelingt. Andere, zu denen ich mich zähle, tun sich bedeutend schwerer damit, oder haben es aufgrund erlebter Katastrophen gar ganz aus der Liste der Gerichte gestrichen. Ein universelles Gelingrezept habe ich nicht anzubieten, dafür habe ich mir aus der Fülle von Rezepten und Ratschlägen eine Reihe von Fakten und Tipps zusammengefasst, die mir wichtig und logisch erscheinen und mit deren Kenntnis ein Erfolg in greifbare Nähe rücken sollte. Wem das alles zu vage oder zu langfädig erscheint, für den habe ich eine wirklich gelingsichere, allerdings gestützte Rezeptversion meines Passionsfruchtsoufflés (Titelbild) anzubieten. Geeignet, um mal so richtig mit Kochkunst anzugeben. 🙂   Aber erst nach Ostern, wenn mein Cholesterinspiegel wieder etwas abgesunken sein wird. Zuerst die Theorie:

Grundlage aller Soufflés ist Eischnee. Eiklar, der Ausgangsstoff, besteht aus Wasser und Proteinen. Durch das Schlagen von Eiklar werden Luftbläschen eingeschlossen, Eiklar wird zu Schaum. Beim Backen dehnt sich die Luft in den Bläschen aus, vor allem aber verdampft Wasser in den Bläschen, das Soufflé geht auf, in der Backhitze verfestigen sich die Proteine zu einem stabilen Eiweissgerüst, und das Soufflé steht. Damit Soufflés gelingen, braucht man also nur zu wissen, welche Faktoren den Eischnee begünstigen, welche ihn zusammenfallen lassen. Kennt man die, sollte jedes Soufflé gelingen, theoretisch.
Soufflee1_redc2007

(1) Bleiben wir mal gleich bei den Luftbläschen: Entnimmt man das Soufflé dem Backofen zu früh, bevor die Eiweissstruktur gefestigt ist, oder setzt man es Zugluft aus, kondensiert der Wasserdampf in den Bläschen, die Bläschen ziehen sich zusammen, das Soufflé geht in die Knie. Altes Wissen, schon im 18. Jahrhundert bekannt. Belässt man das Soufflé zu lange im Backofen, wird der Wasserdampf aus den Bläschen entweichen, das Soufflé fällt schon im Ofen zusammen. Es geht also darum, den Zeitpunkt und die richtige Methode zu finden, in der das Soufflé gar wird.

(2) Grundsätzlich gelingen Soufflés in kleineren Formen sicherer. Grössere Formen sind problematischer. Eischnee ist durch seine eingeschlossenen Luftbläschen ein sehr schlechter Wärmeleiter. Die Balance zu finden, wie ein Soufflé in einer grossen Form aussen und innen gleichzeitig gar wird, ist nicht einfach. Profis behelfen sich oft damit, dass die Form zu Beginn in ein siedendes Wasserbad gestellt wird, und das Soufflé erst nachher in den Ofen kommt. Das Aufheizen durch das Glas bzw. Porzellan wird damit beschleunigt. Ich habe dieses Verfahren auch bei kleinen Förmchen schon mit Erfolg angewendet.

(3) Reinen Eischnee (ohne Eigelb-Spuren) sehr fest schlagen, aber nicht zu fest, sonst trennt er sich wieder. Das Schlagen geht mit Handmixer oder Küchenmaschine am einfachsten. Je stärker man schlägt, desto feiner werden die Blasen, umso gleichmässiger wird die Masse. Umso besser geht sie auf. Wenn das Gefäss umgedreht wird und der Schnee stehen bleibt, ist genug. Der Zusatz von wenig Säure (1-2 Tropfen Zitronensaft) oder einer Prise Salz erleichtert die Schaumbildung. Die Proteine stossen sich dadurch weniger ab.

(4) keine Weichplastikschüsseln verwenden. Diese können Weichmacher oder Reste fetthaltiger Stoffe enthalten, die auch in Spuren die Stabilität des Eischnees verschlechtern. Kochwerkzeuge, Mixer, denen Spülmittel anhaften, vermindern die Oberflächenspannung dramatisch und lassen den Schaum rasch zusammenfallen. Ich behaupte nicht, dass es unmöglich sei, mit Plastikgeräten einen Eischnee hinzubekommen, aber dem Soufflé bekommt er beim Backen weniger gut.

(5) Grundmasse möglichst dick (viskos) halten, damit auch sie dem Soufflé eine gewisse Standfestigkeit mitteilt. Die Zugabe von Flüssigkeiten (zB. Fruchtsaft, noch schlimmer Schnäpse) wirkt sich daher stabilitätsvermindernd aus. Schön fotografierte Soufflés in Kochbüchern sind in der Regel mit grossen Mengen an Stärke oder Mehl gestopft, so dass sie kaum mehr einfallen. Also kein Grund an sich zu zweifeln, wenn ein Soufflé nicht so aussieht wie auf den Fotos im Kochbuch.

(6) Eischnee in drei Portionen nacheinander vorsichtig unter die ggf. noch warme Grundmasse unterheben. Die leichtere Masse, den Eischnee, über die dichtere Masse (die Grundmasse) geben, mit einem Gummispachtel von unten durch beide hindurchfahren, die Grundmasse hochziehen und damit den Eischnee bedecken. Das ein paarmal hintereinander unter Drehung der Schüssel durchführen. Wenn die Grundmasse noch warm ist, geht der Mischprozess wegen der niedrigeren Viskosität besser vonstatten. Vorteilhaft kann auch sein, zunächst etwas vom geschlagenen Eischnee unter die Grundmasse zu mischen, damit diese besser mischbar wird.

(7) Fette lassen Eischnee sehr schnell zusammenfallen. Dazu gehören (leider) auch die Fette im Eigelb, Käse etc. Ein Soufflé ohne Eigelb ist ja noch üblich, aber wie lässt man den Käse in einem Käsesoufflé oder die Schokolade in einem Schokoladesoufflé weg ? In diesen Fällen behilft man sich durch Umhüllung mit stärkehaltigem Saucenkleister. Dabei werden die Fett-tröpfchen von Stärke umgeben. Bevor das Fett beim Backen wieder voll freigesetzt wird, ist der Eischnee gefestigt und stabil. Der Zusatz von ein paar Gramm Stärke zur Grundmasse stabilisiert jedes Soufflé, wirkt sich aber bei sehr feinen Soufflés geschmacklich aus.

soufflee0_redc2008_1190
(8) Souffléformen mit Butter (kein flüssiges Öl) gut einfetten, nach oben dürfen keine Verengungen oder Formänderungen vorhanden sein. Anschliessend bemehlen oder bezuckern, damit die Masse besser steigt. Beim Einfüllen den Rand sauber halten, sonst verklebt der Soufflédeckel dort und behindert das Steigen.

(9) Förmchen bei stark gehenden Massen nur zu 2/3 füllen, damit Platz zum Steigen bleibt.

(10) Backofen gut vorheizen, das Soufflé immer in der untersten Schiene einschieben. Die Temperatur soll unten heisser sein als oben, das gibt dem Soufflé Zeit zu steigen, bevor es oben fest und braun wird. Oft wird empfohlen Gitterroste, keine Backbleche als Unterlage zu verwenden. Warum weiss ich auch nicht.

(11) Soufflé nach dem Zumischen des Eischnee unverzüglich in den Ofen stellen, damit das Eiweiss nicht vorzeitig zusammenfällt.

(12) Die ideale Gartemperatur gibt es nicht. Bei meinen Recherchen habe ich von 160°C bis 250°C alle Temperaturen vorgefunden, jeweils mit der dringlichen Ermahnung garniert, die Temperatur exakt einzuhalten. Oh, Ihr Köche !!!

Ich selbst glaube, dass man mit einer mittleren Temperatur am besten fährt, hoch genug, damit die Proteine gerinnen, bevor das Soufflé zusammenfällt. Aber nicht zu hoch, sonst gerinnen die Proteine in der äussern Schicht bevor das Innere gar und aufgegangen ist. Das gibt dann Risse und Einsturzgefahr. Dann hängt die nötige Temperatur auch noch von der Grösse der Form ab. Wir haben kleine Portionenförmchen mit 8 cm Innendurchmesser, 4 cm hoch. Bei 200°C brauchen die etwa 12-15 Minuten, bei 230-240°C etwa 8-10 Minuten. Wenn ich sie etwa 3 Minuten in siedendem Wasser vorgare (grosse Pfanne mit Deckel, Boden mit Küchenpapier und etwa 2 cm hoch mit Wasser gefüllt), nur noch etwa 7 Minuten.

(13) Soll das Soufflé besonders schön aussehen, wird es von Profis vor dem Backen randeben glattgestrichen, der Rand gesäubert, die Masse mit einem Messer von der Wand gelöst, dann kurz unter dem Grill behandelt. Dadurch wird der Deckel schon mal fest und steigt dann gleichmässig flach in die Höhe. 

(14) Einmal fertig gebacken muss sofort angerichtet und serviert werden. Die Gäste warten auf das Soufflé, nicht umgekehrt. Am Einfachsten wird gleich im Förmchen serviert. Das fertige Soufflé liebt es nicht, wenn es wie Brotteig auf den Tisch geknallt wird.

Vierzehn Punkte sind es geworden, das hat ja nicht mal Moses geschafft. Der hat sich aber auch nicht mit Soufflés befasst. Link zu meinen bisherigen Soufflés

Zum Abschluss: mein stolzes Passionsfruchtsoufflé in einer frühen, ungestützten und unveröffentlichten Version, als unförmiges Omelett im Teller darniederliegend. Glanz und Elend nahe beisammen.

Soufflee2_redc2008_105
AddThis Social Bookmark Button

21 Kommentare zu „Träume, Schäume, Soufflés“

  1. jaja, die Proteinchemie….ein weites Feld!
    Und: wie schön kann ein missratenes Soufflé aussehen, wenn es mit Liebe fotografiert wird.
    Was lernen wir daraus? Ich sag da jetzt lieber nix dazu, aber ich ziehe insgeheim Parallelen zu meinem Arbeitsalltag.
    Robert, vielen Dank für den ausführlichen Exkurs, theoretisch ist mir das auch alles völlig klar, aber auf die Gratwanderung zwischen Stärke und Nicht-Stärke hab ich mich noch nicht begeben.

    Sehr beeindruckt hat mich deine „Soufflé-aus-der-Form-hebe-Mimik“, genial, sowas liebe ich.

  2. jetzt gibt’s keine Ausrede mehr, wenn Soufflées nicht gelingen…..
    Ich gebe immer eine Prise Zucker ins fast geschlagene Eiweiss, dann wird er auch fest und süss ( je nachdem was man macht, logo!).
    Michel Bras ‚bastelt‘ mit Alufolie einen hohen Rand, soll angeblich helfen.
    Bislang sind bei mir die Soufflées ganz gut gelungen, man muss sie halt schnell essen……

    Lieben Dank für die Koch-Nachhilfe Robert! Wird abgespreichert!

  3. Da geht’s uns Künstlern ja ähnlich mit dem Soufflieren. Perfekt muss es nicht sein – mir gelingt’s jedenfalls besser mit etwas einflüstern 🙂

  4. Ich glaube, die nächsten Souffles bestelle ich in Basel, schade daß sie so empfindlich sind 😉

    Die Pergamenttechnik hat mir auch schon oft bei schwierigen Kuchen geholfen.

    Danke für diesen informativen Beitrag! Wissen ist Macht 😉
    (Mein Buch über Molekülküche liegt seit Monaten auf meinem Schreibtisch, ich glaube ich sollte das endlich einmal durcharbeiten).

  5. @elettra: braungebrannt zurück aus der Karibik ? Wer Stärke nimmt, verkauft seine Seele an den Teufel und zahlt den Preis hinterher beim Essen.

    @Bolli: schnell essen hilft auch 🙂

    @the rufus: wenn der Souffleur die richtige Partitur dabei hat, kanns gut werden.

    @Ilka: die Bücher der Herren This, Barham und Vilgis sind wirklich lesenswert.

  6. Himmel, durchschnittlich fehlbare Menschen scheitern gelegentlich schon an den üblichen 10 Geboten – und nun gar 14! Ich glaub, ich lass da weiterhin die Finger von. 🙂

  7. Vielen Dank, Robert! Sehr informativ. Einiges erscheint so logisch. Dass man das Soufflé auf die untere Schiene des Backofens stellen soll, wußte ich bislang nicht.

    Aber wo gibt es jetzt das Rezept zu dem Passionsfrucht-Soufflé?

  8. Ich liebe solche fundierten Zusammenstellungen, vielen Dank.

    Von den Duttenhofers habe ich gelernt, Eischnee lieber bei langsamer bis mittlerer Geschwindigkeit länger (bis 20 min.), als kurz und heftig zu schlagen – ich findeauch , er wird dann stabiler. Als Test schlagen sie vor, ein Ei auf die Oberfläche zu legen – es darf nicht versinken (auwei!).

    Irgendwo habe ich gesehen, dass man den Eischnee schonend unterheben kann, indem man ihn portionsweise mit einem Spatel (wie mit einem Messer) kreuz und quer in den Teig „einschneidet“ und nur am Ende kurz verrührt.

    Manche Köche füllen die Förmchen nicht bis zum Rand, sondern lassen ca. 1/2 cm Abstand. Zusätzlich fahren sie kurz vor dem Backen mit einem Finger rings um den Rand und bilden im Teig so eine kleine Furche. Dadurch soll das Soufflé gleichmäßiger steigen und nicht an einer Stelle festhängen bleiben, heißt es.

    Egal, was passiert: Soufflèbacken ist immer ein besonderes Ereignis, und ich hocke dann meistens mit den Gästen gespannt (ich=angsterstarrt, sie= gierig und erwartungssvoll) vor dem Backofenfenster.
    Ob hoch oder flach, geschmeckt hat es bisher immer.

    LG
    Franz

  9. Ich hatte mich bislang nur an die schwäbisch-vereinfachte Form des Soufflés den Pfitzauf gewagt. Doch dank Deiner tollen Tipps werde ich mich doch mal versuchen, ein richtiges Soufflé zustande zu bringen.

  10. Wow, da hast Du Dir ja richtig Arbeit gemacht. Eine tolle Anleitung! Vielleicht wage ich mich bald auch mal an ein Soufflé.

  11. ok, nun sollte auch mir ein soufflee gelingen! danke für die ganze arbeit 🙂 lg nach basel und schönes we.

  12. @Hedonistin: ich überlege mir gerade, ob ich nicht einen Ablasshandel aufziehen sollte.

    @Claudia: wie gesagt, nach Ostern.

    @Franz: das mit dem Langsam schlagen werd ich gerne mal probieren, das mit dem Ei unterlasse ich aus hygienischen Gründen lieber. Auf keinem Kochgebiet gibt es soviele Ratschläge zu befolgen wie bei Soufflés.

    @rike:
    @Sebastian:
    @nysa: wartet bis nach Ostern, bis ich das Passionsfruchtsoufflé aufgeschrieben habe, dann könnt Ihr gleich mit einem Erfolgserlebnis anfangen.

    @Sebastian: ebenso.

    @

  13. Das drucke ich aus: Ich liebe Soufflés.
    Einen weiteren hilfreichen Tipp habe ich mal im kleinen Soufflé-Buch von Estérelle Payani gefunden (Blog Esterkitchen): Man sollte kein Soufflé vorankündigen, sondern nur einen Auflauf; wenn das Soufflé nicht gelingt, ist keiner enttäuscht, und wenn es gelingt, sind alle verblüfft. 🙂

  14. Ähm, erinnere ich mich richtig, warst Du derjenige, der Respekt vor dem Brotbacken hatte?? Also, nach diesem Soufflé-Gedicht solltest Du das rustikalere Vorgehen beim Brotbacken vielleicht doch einmal in Betracht ziehen. Wer solch Filigranes herstellen kann, dem sollte ein Brot keine Schwierigkeiten bereiten….

  15. @Véronique: danke für den nützlichen Tipp. Den kann man brauchen. 🙂

    @Jutta: doch, ich hatte Respekte und habe immer noch. Obwohl mein erstes richtiges Brot am Freitag (wenn niemand Blog liest) drankommt. Unter Küchenkatastrophen.

  16. @entegutallesgut: das mit dem Danebenhauen passiert öfters. Ich warte schon lange auf einen event, der sich damit befasst.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.